Monika Bunte

Rede von Monika Bunte vom 29.01.1992
anlässlich der "Frauenanhörung" zum Thema: Frauen Düsseldorfs brauchen Öffentlichkeit im Grossen Sitzungssaal des Düsseldorfer Rathauses am Marktplatz

Ich möchte an die Worte meiner Vorrednerin vom Rat(h)schlag anschließen und die Forderung nach RÄUMEN für Frauen und Kinder stellen:
"FALSCHES SPAREN"

Ich habe in meiner ganzen Kinderzeit keinen Spielplatz gesehen. Unser Spielplatz war die Straße; es gab reichlich Platz und reichlich Möglichkeit zum Spielen. Meine Mutter sagte, "Kinder, geht spielen", und damit meinte sie, geht raus auf die Straße, da ist es schön für euch. - Sie hatte genug Arbeit, aber nicht wegen unserer Beaufsichtigung.

Heute haben die Autofahrer und auch die Autofahrerinnen die Straße erobert. Kinder leben gefährlich, und die Anpassung der Kinder an die Verkehrsverhältnisse kostet einen guten Teil der Stunden und der Nerven bei denen, die die Arbeit machen. Fast immer sind es Frauen, meistens die Mütter. - Die Zahl der in NRW auf dem Schulweg verunglückten Kinder von 6 - 17 Jahren stieg 1991 von 1428 auf 1525. Über die Jüngeren und über die in der Freizeit Verunglückten habe ich keine Statistik.

Nachdem die Autos auf den Straßen die Macht übernommen haben - oder ich muß das besser personalisieren: die Fahrer und Fahrerinnen haben die Macht übernommen, und die Politiker haben es nicht verwehrt - also nach dieser Machtübernahme mußten für Kinder und Jugendliche mehr Arrangements getroffen werden: mehr Spielplätze, mehr Kindergartenplätze (auch aus dem Grund der Frauenerwerbsarbeit), mehr Jugendfreizeiteinrichtungen. Überall, wo dies nicht geschieht oder zu wenig geschieht oder wo es wieder reduziert wird, sind Frauen betroffen wegen der zusätzlichen Belastung und der zusätzlichen Sorge.

"Jetzt" haben die Autos ihren Straßenraum.
"Jetzt" werden die Ansprüche derer zurückgefahren, die anstelle ihres ursprünglichen Lebensraums Straße in unserem DÜSSELDORF auf neue Lebensräume angewiesen sind, als da sind Spielplätze, Kindergartenplätze, Freizeitplätze für Jugendliche.

Ich lese am 23.01.92 in der RP unter der Überschrift "Diskussion um Etat": 40 Kinderspielplätze werden geschlossen und in reine Wiesen umgestaltet usw. usw.. Gründezernent Dr. Henning Friege meinte, "das sind zwar nur Kleinigkeiten", oder um etwas genauer zu zitieren: "Das sind zwar auf den ersten Blick nur Kleinigkeiten, aber sie zehren am Charme der Stadt".

Ich weiß nicht, ob es wirklich nur um den Charme der Stadt geht. Ich frage mich, welche Vorstellung hat der Dezernent von der Zukunft? Überhaupt: welche Vorstellung, welches Bild, welches VOR-Bild hat unsere Gesellschaft von ihrer Zukunft? Ich frage noch deutlicher und setze an die Stelle des Wortes Gesellschaft das Wort Patriarchat: Welche Vorstellung hat das Patriarchat von seiner Zukunft? Ich antworte: es hat keine Vorstellung von der Zukunft, und das Patriarchat hat auch überhaupt keine Zukunft. Und wenn ich ehrlich bin, erfüllt mich das bei aller Bitterkeit mit Frohlocken: das Patriarchat hat keine Zukunft, weil es die Lebenschancen der jungen Generation beschneidet, und weil es den Müttern, die die häusliche Erziehungs- und Pflegearbeit tun, zumutet, das ohne eigenständige soziale Absicherung zu tun.

Meine Forderung: keine Kürzung im städtischen Etat bei Spielplätzen, Kindergartenplätzen und Jugendfreizeiteinrichtungen und bei den wenigen Begegnungsmöglichkeiten für Frauen.

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Bearbeitet von ulrikee am 08.02.2004