Monika Bunte

Portrait von Monika Bunte im Coolibri

Monika Bunte: Von Beginen und Hexen

Aufregend weiße Häuser, so weit das Auge reicht - bis auf eins, das ist hübsch blau, und da will ich hin. Auf mein Klingeln öffnet mir eine schlanke, grauhaarige, sportlich wirkende Frau, ihre Augen heißen mich willkommen, noch bevor sie mich begrüßt. "Ich bin unglaublich neugierig", schmunzelt Monika Bunte, als wir in ihrem gemütlichen Wohn-Arbeits-Zimmer sitzen. "Deshalb habe ich irgendwann angefangen zu forschen. Geschichte ist mein Hobby geworden."

Die 63jährige Monika Bunte, Familienfrau und bis vor zwei Jahren Lehrerin, meint die Geschichte der Frauen, z. B. derer, die sich im Mittelalter durch neue Lebensformen weitreichende Autonomie erkämpften, oder von solchen, die dem religiösen Fanatismus der "christlichen" Kirche zum Opfer fielen. Dabei kehrt Monika Bunte vorzugsweise vor der eigenen Haustür. Gerresheim, der älteste Teil Düsseldorfs, hat beides erlebt, sowohl etwa 150 Jahre Beginenkultur als auch die letzte Hexenverbrennung am Niederrhein.

"Meine historischen Interessen haben einen gemeinsamen Nenner mit dem, was mich in der Gegenwart und für die Zukunft beschäftigt. Es ist die Idee der Eigenständigkeit der Frau." Seit vielen Jahren setzt Monika Bunte sich ein für die Verbesserung der Sozialversicherungssituation der Familienfrau. "Frauen, die nicht nur Kinder bekommen, sondern auch die Erziehungsarbeit leisten wollen, haben - finanziell betrachtet - gleich zweimal das Nachsehen. Ihre Arbeit wird bislang nicht entlohnt, ja nicht einmal als solche anerkannt, zum anderen reduzieren die fehlenden Beitragszeiten die Rente oft bis zur Lächerlichkeit", erklärt die diplomierte Volkswirtin und erzählt von einer fünffachen Mutter, deren monatlicher Rentenanspruch sich auf ganze 198 Mark beläuft. Als stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Hausfrauengewerkschaft investiert Monika Bunte, selbst Mutter dreier Kinder, viel Kraft und Zeit, um diesen armseligen Verhältnissen ein Ende zu setzen.

Beginen vor der Haustür
Der Brückenschlag von den Alltagsproblemen der Frauen Ende des 20. Jahrhunderts zu denen des Mittelalters scheint gar nicht mal so schwer, gleichwohl ist es mehr oder minder dem Zufall zu verdanken, daß Monika Bunte vor gut zehn Jahren auf die Spur der Beginen, einer halbklösterlichen Frauenvereinigung, in Gerresheim kam und sie akribisch wissenschaftlich verfolgte. Gerade als überlegt wurde, was man in eine Festschrift zum Kirchenjubiläum von St. Margareta (Gerresheim) aufnehmen könnte, las sie in einer historischen Arbeit, daß es in Gerresheim zwei Beginenhäuser gegeben hatte. "Für mich war das eine elektrisierende Neuigkeit, und ich sagte mir: ‚Wenn du dich nicht um das Thema kümmerst, wer dann sonst?' Die Lebensform der Beginen ist faszinierend, denn sie bot denjenigen Frauen, die nicht dem Hochadel angehörten und denen daher der Weg in die kirchlichen Orden versperrt war, die einzigartige Möglichkeit, in einer Gemeinschaft zu leben mit einem Maximum an Eigenverantwortung und sozialer Absicherung und einem Minimum an äußerer Zügelung."

Was dem ersten Kick folgte, war Monika Buntes Einstieg in die Forschungsarbeit. Sie suchte in Archiven nach historischen Quellen, fand Gründungsurkunden und andere Dokumente und setzte die Puzzleteile Stück für Stück zusammen zu einem ausdrucksvollen Bild weiblicher Lebenswirklichkeit im 14. Jahrhundert. Was lediglich als Beitrag zur Festschrift geplant war, wuchs sich aus zu Vortragseinladungen und weiteren Veröffentlichungen. Jüngst u. a. von ihr erschienen ist der Titel "Mystik, Macht und Minne", eine Sammlung von Begleitvorträgen zur Ausstellung "Die Frau im mittelalterlichen Rheinland". (Zu erhalten beim "Aktionsring frau und welt").

Vom Karnevalsorden zum Hexendenkmal
Den Anlaß für ein neues Forschungsthema lieferte die Gerresheimer Bürgerwehr. 1987 bewies deren Vorstand mit der kommentarlosen Übernahme des Motivs "Hexenverbrennung" vom Heimatbrunnen auf den Sessionsorden ein nicht mehr zu unterbietendes Maß an Intelligenz und Sensibilität. Entrüstet waren sehr viele; Monika Bunte reagierte, und zwar nicht nur mit Protest, sondern mit der Anregung, ein Hexendenkmal zu errichten. "Ich habe mich so weit mit der Hexenverfolgung und speziell dem letzten Hexenprozeß in Gerresheim gegen ein 14jähriges Mädchen und eine junge Frau beschäftigt, daß ich Vorträge dazu halten und die Hörer damit überzeugen konnte, das Vorhaben finanziell zu unterstützen."

Das Ergebnis monatelanger Öffentlichkeitsarbeit und Spendensammlung steht seit gut sechs Jahren auf dem Platz zwischen Dreher- und Schönaustraße: ein ebenso ungewöhnlicher wie schöner Gedenkstein mit der Inschrift "für Helene M. Curtens und Agnes Olmanns, in Gerresheim verbrannt am 19. August 1738 nach dem letzten Hexenprozeß am Niederrhein und für alle Gequälten und Ausgestoßenen".

Text: Andrea Woeste, Juni 1996

>> Laudatio von Irena Leuschner
>> Dankesrede von Monika Bunte
>> Rede von Monika Bunte vom 29.01.1992

>> Die demagogische Zeitenwende

>> Übersicht


 

zurück

Frauen-Kultur-Archiv · Frauenförderung · Germanistisches Seminar II · Philosophische Fakultät

Bearbeitet von ulrikee am 08.02.2004