Gedichte:
Leere Irrtum Herbst
Ton
Leere
Ist dies das Ende?
Vor mir dehnt sich
Ein ödes Schneefeld, flach und unermesslich.
Ein farblos düstrer Himmel schweigt darüber hin;
Schon bricht die Nacht herein -
Ich stehe stumm, erstarrt vor Grauen.
Dem farblos kahlen fahlen Nichts entgegen -
O Seele du - ist das das Ende?
Mich friert. Mich schaudert.
Schwarze Schwingen, deucht mich,
Gespenstern lautlos durch die nächt'ge Oede.
Kein Hauch von Leben geht von ihnen aus,
Nicht Form, nicht Farbe; nur
Ein leichenhafter Frost -
Sie greifen mich - sie schleifen mich!
Sie sind so ohne Körper, dass man wehrlos ist,
Und dennoch reissen sie unwiderstehlich
Und pfeilgeschwind ihr Opfer
Durch stumme Oede in das Reich des Nichts -
In: Verse
von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 37
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Irrtum
Wir waren Kinder.
Kinder -
Liefen Hand in Hand
In jenes ferne fremde schöne Land
Und gingen irr,
Und fanden uns nicht mehr.
Nun streuten
frühe Fröste Reif uns in das Haar;
Und jeder geht allein den öden Weg,
Und geht mit wunden Füssen ohne Ziel.
Und keines Herdes Flamme wärmt uns jemals wieder,
Die nirgend wir daheim und immer einsam sind.
In: Verse
von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 79
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Herbst
Warum bist du
nicht zu mir gekommen,
Als mein Garten in Blüte stand!
Nun hat des Sommers glühende Sonne
Alles verbrannt -
Blumen blühten
in meinem Garten
Du --- so voll Duft!
All ihr lieblicher Atem füllet
Nie mehr die Luft -
Vögel sangen
in meinem Garten
Du - so voll Glück!
All ihr helles Gezwitscher kehret
Nicht mehr zurück -
Warum bist du
nicht zu mir gekommen
Als mein Garten in Blüte stand!
Sieh, schon zieht mit silbernen Flocken
Winter ins Land!
In: Verse
von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 95
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Der Ton
Schwermütig
klingt ein Geigenton
Durch unser Leben mit,
Klingt seit der Stunde, da um uns
Die Mutter liebend litt;
Klingt seit der Stunde, da um uns
Ernsthaft der Bruder Tod
Für eine kurze, kurze Frist
Die Hand dem Leben bot -
Pan's Flöte
klingt nun hell und laut. -
In wunderlichem Tanz
Umzirkelt blendend Aug' und Ohr
Des Lebens wirrer Glanz
In Kampf und Lust und Leidenschaft,
In Stolz und keckem Mut,
In Liebesglück und Hasseskraft,
In Gier und wilder Glut.
Doch abseits
steht der Bruder Tod;
Er lächelt ernst und schweigt,
Hält in der Hand sein Instrument
Und lächelt, schweigt und geigt.
Und manchmal trifft ein leiser Ton,
Wie Mutterwort so lind,
In stillsten Stunden unser Ohr
Die unsre besten sind -
In: Verse
von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 123
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