FACHSCHAFT JÜDISCHE STUDIEN UND JIDDISTIK

Awareness-Week Januar 2018

Düsseldorfer Biographien aus der NS-Zeit- Workshop in der Mahn und Gedenkstätte Düsseldorf

Bewusstsein – auch für die Geschichte unserer Stadt. An keinem Ort geht das besser als in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Hier haben wir im Rahmen der Awareness Week eine Führung durch die Ausstellung bekommen und an einem besonderen Workshop teilgenommen: Wir haben uns unterschiedliche Erzählungen von Kindern aus der NS-Zeit angeschaut und gegenseitig vorgestellt. Schicksale von Untergetauchten bis zum Helfer der Verfolgten.

Pia Steckelbach

Deutschland am Scheideweg: Das Problem mit dem Antisemitismus

(Vortrag von Tamara Guggenheim an der HHU zum Thema Antisemitismus)

„Der moderne Antisemit hat keine Glatze mehr“ – das stellt Tamara Guggenheim, Leiterin der Religionsschule der jüdischen Gemeinde Düsseldorf fest. In ihrem Vortrag im Rahmen der Awareness Week spricht sie über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema Antisemitismus. Heutzutage werde der mit Antizionismus verknüpft. Dabei mache Kritik am Staat Israel per se nicht automatisch antisemisch. Die Vermischung sei die Gefahr. In ihren 30 Jahren Berufserfahrung als Lehrerin und ihrem Leben als religiöse Jüdin und – wie sie selbst von sich sagt – Zionistin hat sie einige Ressentiments und antisemitische Vorurteile kennengelernt. Ihre 13- bis 17-jährigen Schüler erzählen ihr in den letzten Jahren immer häufiger von Beleidigungen, denen sie in der Schule ausgesetzt sind. „Jude“ sei auf deutschen Schulhöfen längst zum Schimpfwort geworden. „Wenn sich jetzt nichts ändert, weiß ich nicht, wie es in Zukunft mit den jüdischen Gemeinden weitergehen soll“, sagt sie.

Den Typus des modernen Antisemiten beschreibt Tamara Guggenheim so: meist sei er den gängigen Ressentiments erhaben, frage aber trotzdem: „Warum haben die Juden nichts aus ihrer Geschichte gelernt und behandeln die Palästinenser so, wie sie von den Deutschen während der Shoah behandelt wurden?“ Er verdrehe kausale Zusammenhänge. Nur im seltensten Fall habe er einen Juden persönlich kennengelernt. Guggenheim stellt dabei fest: Antisemitismus komme nicht nur in den Kreisen muslimischer Zuwanderer auf, aber auch sie leisteten einen Beitrag zu der aufgeladenen Stimmung. Oft seien Angehörige bestimmter muslimischer Gruppen mit antisemitischem Gedankengut aufgewachsen und sozialisiert worden, hätten an dieser Prägung meist keine Schuld. Das Problem bestehe in der Gesellschaft, die nicht wisse, wie sie auf den wachsenden Antisemitismus regieren solle. Auch die Lehrer in den Schulen wüssten antisemitischen Beleidigungen oder Hitler-Witzen oft nichts entgegenzusetzen.

Tamara Guggenheim hat kein Patentrezept für den richtigen Umgang. „Jede Form von Antisemitismus sollte geächtet werden“, findet sie. Als Mensch fühle sie sich zwar als ein Teil der Gesellschaft, als Jüdin jedoch nicht. Eine erschütternde Bilanz. In Anlehnung an den Namensgeber der HHU zitiert sie Heinrich Heine, ein zum Christentum konvertierter Jude. Der sagte schon 1843: „Denke ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“

Aber Guggenheim will nicht resignieren. Jeder könne etwas dazu beitragen, gegen den Antisemitismus in der Gesellschaft anzugehen. Dazu sollte jeder seinen eigenen Codex in der Sprache finden und sensibel auf Ausdrücke achten. Auch Personen, die sich rassistisch oder antisemitisch äußern, auf ihr Verhalten anzusprechen sei wichtig. Gerade wenn dies nicht mit böser Absicht geschehe. Sie empfiehlt: „Empathie entwickeln für Gruppen, die unterdrückt werden – nicht nur für Juden.“

Hinweis: Die Ausführungen von Frau Guggenheim beruhen auf ihren rein persönlichen Erfahrungen und Ansichten.

Pia Steckelbach