SCHRIFTLICHKEIT

Theaterkritik

Wen die Auszeit fast umbringt...

Das Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt mit „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla eine kritische Analyse der Welt der Unternehmensberater und Manager.

Unheimlich mutet es an, wenn man einen Blick auf das düstere Wurzelwerk im grünlichen Licht wirft, wenn Menschen wie Reptilien zischen, wenn Leitern und Sprungbretter ins Unbewusste führen, wenn man den Figuren in dem Stück „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla (32) zusieht „wie das Gespenst in [ihnen] immer mehr zunimmt“. Das Stück feierte vor knapp einem Monat, am 7. April, im Düsseldorfer Schauspielhaus seine bravouröse Uraufführung, mit der Regisseur Burkhard C. Kosminski („Tod eines Handlungsreisenden“, „39.90“) und Dramaturg Ingoh Brux den Stein, den die österreichische Autorin ins Rollen brachte, noch weiter beschleunigen.

Sieben Menschen begegnen einander auf einer Messe. Die von der eigenen Karriere aufgesogenen Figuren sprechen über die Fähigkeit Schlaf zu speichern oder auch von „hochausgebildeten Idioten mit Dauer-Diplom bei McKinsey“. Indessen wünscht sich die Praktikantin „zumindest eine Medienvergangenheit“, während sie Kaffee serviert. Wortschöpfungen wie „Killerschlaf im Flugzeug“, „quick eating“ und „short sleeping“ bestimmen die eiskalte Atmosphäre des Stücks, die Figuren sprechen von sich selbst in der dritten Person.

30 Interviews führte die in Berlin lebende Autorin mit Menschen aus der Consulter-Branche und entwickelte auf der Grundlage dieser Quellen eine sprachkritische Kollage aus Brutalitäten der Arbeitsphilosophien der Business Welt. Diese stark journalistisch und dokumentarische Technik begründet Röggla mit einer Benutzung der Oberfläche, „[...] um Risse und Lücken darin zu zeigen - nicht, um sie affirmativ zu schließen“, so in einem Interview mit Theater heute.Risse und Lücken werden auf der Bühne zu Möglichkeiten, räumlich als kreativer Spiel-Platz (Bühnenbild: Gerhard Benz), sowie musikalisch in Szene gesetzt durch die Musik von Simon Stockhausen. „[...] ordentliche kaliber wie dieses argument >tod oder leben<. [...] das sei immer das beste argument: also, wenn man gewisse maßnahmen nicht machte, dann müssten eben alle gehen.“ - so die existenzialistische Moral von Kosminskis Inszenierung. Ein gelungener, nicht aalglatter Abend, der ein schaurig interessantes Licht auf die Medienstadt Düsseldorf wirft. Da musste der eine oder andere beim Verlassen des Theaters zugeben: „Unsere Firma kommt da aber schlecht weg!“

Jennifer Ressel (Mai 2004)