JAPANISCHE PHILOSOPHIE

Vorlesung im WS. 1996/1997 an der HHU Düsseldorf

Prof. Dr. L.Geldsetzer

Die japanische Philosophie artikuliert wie jede Nationalphilosophie eine spezifische Kulturideologie. Sie erwächst auf dem Boden der einheimischen Mythologie des Shinto, einer Naturreligion, die zuerst alle ausgezeichneten Naturphänomene, dann auch den Menschen selbst und seine Artefakte vergöttlicht. Aus den Kontakten zum hanzeitlichen China übernimmt Japan zunächst eine schon hochentwickelte konfuzianisch-feudale Regierungskunst und ethisch-politische Kultur sowie die chinesische Schrift zugleich mit dem dadurch trans-portierten Klassikerwissen der Konfuzianer und Daoisten. Wie in China selbst der indische Buddhismus sich als eine "passende" Interpretation daoistischer Tendenzen eingeführt und seit der Zeitenwende ausgebreitet hat, wird er als chinesischer Kulturimport auch in Japan heimisch. Er bringt mit seinen Klöstern und Schriftgelehrten die institutionelle Grundlage für die Entwicklung eines besonderen Gelehrtenstandes, der einerseits "Wissenschaft" um ihrer selbst willen pflegt und tradiert, andererseits - wie der abendländische "Klerus" - in der feudalen Politik und Verwaltung maßgebliche Funktionen übernimmt. Sein nihilistisch-metaphysischer Grundzug bestätigt und befestigt die shintoistische Grundeinstellung, daß sich hinter der vergöttlichten Wirklichkeit "Nichts" anderes mehr ausmachen lässt. Erst seit dem 17. Jahrhundert - und wiederum in Parallele mit China - nimmt Japan auch von westlichem Denken Notiz und adaptiert vor allem diejenigen idealistisch-pantheistischen Strömungen, die zum einheimischen shintoistisch-buddhistischen Denken passen (Kant, Deutscher Idealismus, Phänomenologie, zuletzt z. B. Heidegger). Erst dadurch entstehen im späten 19. und anfangenden 2o. Jahrhundert genuin japanische Philosophiesysteme (Nishida Kitaro), die seither als "Klassikersysteme" das moderne japanische Denken repräsentieren. Daneben treten aber auch die zum Konfuzianismus passenden naturalistisch-pragmatistischen Strömungen (Positivismus, Materialismus, Marxismus, Pragmatismus), die die ideologische Basis für die schnelle Übernahme und spezifische Entwicklung der westlichen Ökonomie und Technik gewährleisteten.

Literatur:

Gr. Paul, Philosophie in Japan. Von den Anfängen bis zur Heian-Zeit. Eine kritische Untersuchung, München 1993; P. Pörtner, J. Heise, Die Philosophie Japans. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1995; L. Brüll, Die japanische Philosophie. Eine Einführung, Darmstadt 1989; Kl. Kracht (H.), Japanische Geistesgeschichte. Fachtexte, Wiesbaden 1988 (darin: Saigusa Hiroto, Nihon tetsugaku / Japanische Philosophie); A. Forke, Die Gedankenwelt des chinesischen Kulturkreises, München Berlin 1927 (darin: Anhang. Die chinesische Philosophie in Japan, S. 203-215); Inoue Tetsujiro, Die japanische Philosophie, in: Die Kultur der Gegenwart Band, 5), Berlin 1909; Nakamura Hajime, A history of the development of Japanese thought, 2 Bände, 2. Aufl. Tokio 1969

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