Bemerkung zu Grammatiknormen
und neuerlichen Sprachreformen (1995)

Das "Der", das "Die" das "Das" zu dreien
Geschlechterwörter, sagt man, seien;
die ersten zwei für Mann und Maiden,
das dritte dann für keins von beiden.
Und alle Dinge in der Welt
sei'n unter diese drei gestellt
bei Griechen, Römern und den Deutschen
und noch manch andern braven Leutchen.
Wie sittlich war man doch gesonnen
als man die Kleinchen ausgenommen
vom Zwang, nun zwischen erstern beiden
von Anfang an sich zu entscheiden,
dieweil Franzosen, sexbesessen,
an weiblich-männlich alles messen,
doch Angelsachsen und Chinesen
ganz unempfindlich hier gewesen.
Das Denken sei, so wird beteuert,
durch das Geschlecht total gesteuert.
Drum sei es auch ganz ungerecht,
wenn oft das männliche Geschlecht
auch auf die Frauen angewandt
und ihr Geschlecht nicht anerkannt.
Da soll man von Gesetzes wegen
den Frauenkult nun dadurch pflegen,
daß man, was nur als "-er" sich findet,
sogleich mit einer "-in" verbindet.
In den Gesetzen und Erlassen
kann man erst jetzt, so meint man, fassen
die Männer- und die Frauenwelt
als Adressaten, gleichgestellt.

Jedoch, wo bleibt die Konsequenz
der Wortvermehrungskompetenz?
Habt ihr der Bübchen, Mädchen Horden,
die noch nicht Mann und Frau geworden,
nun vom Gesetze dispensiert,
dieweil sie da nicht aufgeführt?
Erst recht muß "man" nun protestieren,
daß alle "die" im Plural führen,
denn das ist ja, genau wie "Sie",
stets weiblich als Kategorie.
Da muß speziell - ich bitt' euch sehr -
für Mann und Kind ein Plural her,
denn daß nun Mann und Kind in Massen
sich nur als weiblich denken lassen
- und Höflichkeit noch obendrein -
das kann und darf nicht länger sein!

Doch sei das denen nur gesagt,
die schmerzlich hier der Zeitgeist plagt,
der sie nun zwingt, wie sie gestehen,
in allem nur den Sex zu sehen.
Das ist, wie Altersweisheit lehrt,
natürlich ganz und gar verkehrt
und gilt auch in der Sprache drum
für Wörterklassen andersrum:
Nicht das Geschlecht bestimmt die Klassen
- sonst würd' es nicht in alle passen -
und niemand hätt' im deutschen Land
je einen Mann "Person" genannt,
noch würde jemand sich getrauen
auch "Mensch" zu nennen alle Frauen.
"Das Mensch" ("das Weib") wär unerhört,
obwohl's in Mainz doch niemand stört.

Den Fehler, der Verwirrung brachte,
schon Dionys der Thraker machte,
als er im alten Griechenlande
die Genera "Geschlechter" nannte,
weil, wie er richtig konstatierte,
im ersten "männlich" dominierte,
im zweiten Genus "feminin"
recht häufig aufzutreten schien.
Doch was vertauscht er dabei fand,
hat er "Anomalie" genannt.
Dem dritten hat er unverweilt
was "keins von beiden" zugeteilt,
obwohl auch darin doch ganz offen
viel Anomales angetroffen.
Die Römer haben's übernommen,
und so sind sie auf uns gekommen
in die Grammatik neurer Zeiten:
fatale Wortgeschlechtlichkeiten,
die einst die "Gattung" nur gemeint,
durch die man Artbegriffe eint,
nun pars pro toto nur zum Lachen,
die für die meisten Sinn nicht machen.

Wie glücklich muß ein Volk sich glauben,
das sich den Luxus kann erlauben,
die ganze Sprache fachgerecht
ganz umzumodeln nach Geschlecht.
Da gibt es für die Zukunft nun
polit-juristisch viel zu tun,
die Sprache allen Interessen
kategoristisch anzumessen.

Nehmt nur das alte "Ehepaar",
das als Dual nur sächlich war.
Die Lesben werden euch noch zwingen,
"die Paar" gesetzlich auszubringen;
"der Paar" kommt dann gleich hinterher
für unsre Schwulen in Verkehr.
Nebst dem stehn die Pronomen an,
die man noch schön vermehren kann
wie "er", "sie", "es" so klar beweisen,
die gerade nach Geschlechtern heißen.
Laßt nur das "ihr" und "sie" den Damen
und sucht für Männer andre Namen,
die das Geschlecht mitindizieren
und keines mehr diskriminieren.
Gewiß wird's dann auch höchste Zeit,
daß man die Kasuslehr' befreit
vom "der", das ganz pervers und schief
im femininen Genitiv,
und auch vom "die", das nicht mehr paßt,
wenn Männer es im Plural faßt.

Zehn Jahre wohl, bei strammer Haltung,
braucht ihr für diese Umgestaltung,
dann wird, wer Neudeutsch spricht und denkt
nur noch auf das Geschlecht gelenkt.
Das alte Hochdeutsch, will ich hoffen,
wird noch im Ausland angetroffen,
und wer noch hängt am alten Wesen
mag heimlich alte Bücher lesen.
Doch eh' man uns damit beglücke
bedenkt: es gibt da kein Zurücke,
denn ist die Sprache erst verhunzt,
kommt sie so wie sie ist in Gunst,
und alle sprechen dieses Sprach
dem und der MannIn/FrauIn nach!

Der Aufwand freilich, möcht ich meinen,
muß unverhältnismäßig scheinen.
Statt Neudeutsch allen nun zur Pflicht
macht bessern Fremdsprachunterricht!
Zum Beispiel sollt' man unsern Frauen
nur das Französisch anvertrauen.
Dann würden sie stets ohne Zaudern
intim ganz unter sich nur plaudern,
und "le" und "la" als gleichverteilte,
alsbald die Vorurteile heilte.
Den Männern würd' ich ohne Zieren
das Englisch einfach reservieren.
Da könnten sie, wenn sie's versuchen,
ganz ungehemmt und kräftig fluchen,
das "the" und "a" gewiß auch brächte,
daß keiner ans Geschlecht mehr dächte.
Den Lesben - falls der Wunsch vorhanden -
sei Italienisch zugestanden,
und unsre Schwulen, wenn sie's wollten,
am besten Spanisch sprechen sollten.
Dann kann auch keine Sorg' bereiten
die Sprache andrer Minderheiten:
Wer nur in seiner Sprach' parliert
wird eben drum schon respektiert
- was keiner zu verstehen weiß
macht ihn gewöhnlich auch nicht heiß.
Wer strebt, sich allen mitzuteilen
wird Deutsch zu lernen sich beeilen!
Nur macht auch klar, ihr lieben Leute,
was gutes Deutsch bei uns bedeute,
und laßt den Schwachsinn außer acht,
der uns nur zum Gespötte macht.


Letzte Änderung:
22. April 2003