HEINEAGE

Kulturelle Variationen und Repräsentationen des Alter(n)s - Vergleichende literaturhistorische Untersuchungen

Team:
Univ-Prof. Dr. Henriette Herwig, Institut für Germanistik
Univ-Prof. Dr. Hans-Georg Pott, Institut für Germanstik
Dr. Miriam Seilder, Institut für Germanistik
Britta Claus, M.A., Institut für Germanistik

Ergebnis:
Der literaturhistorische Beitrag zur Altersforschung untersuchte literarische Zeugnisse verschiedener Epochen im Hinblick auf die Darstellung alter Menschen und die Reflexionen des Alters als Phänomen und als Problem innerhalb verschiedener Gesellschaftsformen und unterschiedlicher Gesellschaftsschichten, insbesondere Wohn- und Lebensformen alter Menschen, Verhältnis zur Familie und zur Generationenfolge, prägende soziale Rollen, Re-Konstruktion und Sinngebung der eigenen Biographie angesichts der Abnahme von Lebensalternativen, Erinnerungskultur (persönliche und nationale) im Alter, Alterslektüre, Verhältnis alter Menschen zu ihrem Körper, zu Krankheit und Tod (dem Tod des anderen, dem bevorstehenden eigenen Tod), Geschlechterdifferenzen bei der Wahrnehmung von alten Menschen und bei der Beurteilung von Altersliebe und Leidenschaft (der verliebte Alte, die verliebte Alte – komische, groteske oder tragische Figur), Altersreligiosität und Hinwendung zu Unsterblichkeitsmythen sowie Altersutopien.

Ausgehend von einem weiten Kulturbegriff, der Kultur als Gesamtheit der symbolischen Produktionen versteht, wurrden die literarischen Texte im Rahmen einer kulturwissenschaftlich orientierten Literaturwissenschaft unter Einbezug der Gedächtnis- und Erzählforschung mit semiotisch-hermeneutischen und diskursanalytischen Methoden unter folgenden Gesichtspunkten analysiert. Die Untersuchungsergebnisse lassen einen komplexen Zusammenhang zwischen differenzierter Selbsterkenntnis ("Erkenne dich selbst!") im Alter und guten oder schlechten sozialen Beziehungen erkennen. Dabei geht es um die Kontinuität oder Diskontinuität von den gesamten Lebenslauf bestimmenden Kräften undWerten, vor allem um Liebe, Lebenssicherung (Ökonomie, Erbschaft), Selbstbestimmung (Selbsterkenntnis) und (ab 1800) um Identitätssicherung angesichts des beschleunigten Veraltens von Lebensformen und Lebensstilen im Wechselspiel von Individuum und Gesellschaft. Der Beitrag der Dichtung besteht dabei in der Kritik von gesellschaftlichen Stereotypen und in der Darstellung von Alternativmodellen.

In Fallbeispielen aus der Literatur des 19. Jahrhunderts (Johann Wolfgang von Goethe, E. T. A. Hoffmann, Theodor Storm, Theodor Fontane, Hedwig Dohm u.a.) ergab sich im Hinblick auf den Wandel von Alterskonzepten eine Auflösung der Dichotomie von Weisheit und Narrentum, eine geschlechtsspezifische Ungleichzeitigkeit sowie eine soziale Differenzierung nach Standeszugehörigkeit der Figuren. Dabei musste zwischen Selbst- und Fremdbeobachtung differenziert werden. Bei den Selbstbeobachtungen handelt es sich um die Erforschung schriftlich überlieferter Innenansichten von Erfahrungen alter Menschen (Autobiografien, Tagebücher und Briefe, Alterswerke). Bei den Fremdbeobachtungen geht es um die Darstellung alter Menschen von außen (auch durch jüngere Autoren) in den verschiedenen literarischen Gattungen (Prosa, Lyrik, Drama) sowie in der "Reflexionsliteratur" (Traktate, Weisheitsbücher, religiöses und philosophisches Schrifttum).

Bei der Untersuchung von Repräsentationen des Alters in der Literatur der Jahrtausendwende wurde ersichtlich, dass die Diskussion um die "demografische Revolution" zunehmend Eingang in literarische und populärwissenschaftliche Texte findet. Das Alter wird in der Gegenwartsliteratur nicht mehr in erster Linie metaphorisch verstanden; vielmehr werden literarische Texte zum Experimentierfeld für die Reflexion sozialer Entwicklungen. Neben der Umschreibung des Motivs des Generationenkonflikts und der Anwendung der Singleproblematik auf das Phänomen Alter(n) stand vor allem das Aufeinandertreffen von Fremd- und Selbstbild alter Menschen im Zentrum der Analyse.

Homepage des Teilprojektes (Stand 2006)

Homepage der literarischen Altersforschung (Aktuell)

 

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