Edith Stein

Stimmen zu "Endliches und ewiges Sein"

Alexander Koyré: "Ihr Hauptwerk: Endliches u. ewiges Sein ist sehr schön. In meinen Augen stellt es ihre 'geistige Biographie' dar. Es faßt die Anstrengung eines Lebens zusammen, das einzig der Forschung nach dem Sinn des Seins geweiht war und dann, zu Gott hingewandt, nach Erkenntnis Gottes strebte mittels mystischer Erfahrung. Ist dies nicht zweifellos die höchste Form der Erkenntnis, die Liebe eines anderen zu erfahren?"

(Zitiert nach: Edith Stein. Kleines Lebensbild der grossen Philosophin und Karmelitin gezeichnet von ihrer ehemaligen Mitnovizin im Kölner Karmel Schwester Maria Baptista a spiritu sancto OCD, Kaldenkirchen, 1962)

Hedwig Conrad-Martius: "In der Klausur des Kölner Karmel schrieb Edith Stein ihr Werk 'Vom endlichen und ewigen Sein'. Die Klarheit, die Blickschärfe, die Sachlichkeit und vorurteilslose Kühnheit ihrer Ausführungen sind höchst eindrucksvoll. Ja, auch die vorurteilslose Kühnheit. Sie kritisierte den heiligen Thomas, wenn es ihr nötig erschien. Es ist selbstverständlich, daß ihr als Karmelitin das Material zum größten Teil aus dem speziell katholischen Offenbarungs- und Glaubensgut zugeflossen ist. Aber ich glaube, es ist nicht richtig, zu sagen, daß das Ganze eine Synthese zwischen Thomas und Husserl sei. Wenigstens nicht in dem Sinne, als ob die einzelnen Ausführungen mit der Absicht auf eine solche Synthese hin geschrieben seien. Überall steht die Sache selbst, um die es ihr thematisch gerade geht, im Vordergrunde. Immer ist es, wie Wust so schön sagt, ein Maßnehmen an den maßgebenden Dingen. Und unter diesem Maßnehmen an den Dingen wächst ihr die Möglichkeit zu, nicht nur Thomas, sondern viele antike und mittelalterliche Philosophen mit neuesten philosophischen Konzeptionen, besonders denen Husserls und seiner Schüler, zu einem meisterlichen Maßwerk zu vereinigen."

(Edith Stein. Briefe an Hedwig Conrad-Martius. Mit einem Essay über Edith Stein, hrsg. von Hedwig Conrad-Martius, München 1960)

Albert Auer OSB: "... Sie [die Arbeit] stellt eine umfassende und höchst geistreiche Seinsmetaphysik dar, die mit Hilfe von phänomenologischer Methode in gewisse Grundprobleme der Metaphysik des hl. Thomas mehr Klarheit zu bringen versucht bzw. manche metaphysischen Grundbegriffe noch näher zu präzisieren trachtet. Zweifellos ist der Versuch gelungen und es werden Wege gezeigt, die sicher mit Erfolg werden beschritten werden können."

(Gutachten von Prof. Dr. Albert Auer OSB bezüglich der Imprimatur (Druckerlaubnis) des Werkes vom 28. Oktober 1937)

Alois Dempf: "Das große Werk Edith Steins: Endliches und ewiges Sein, gibt sozusagen das philosophische Hauptwerk des Aquinaten: 'Die Untersuchungen über die Wahrheit' in umgekehrter Reihenfolge der Darstellung. (...) Sie hat dabei nicht die Gabe Husserls aufgegeben, die vorliegen Tatbestände aufs genaueste zu beschreiben, ja sie konnte sogar durch ihre eigenen Einsichten an einigen Stellen Thomas weniger berichtigen als ergänzen. Immer trägt sie dabei mit der klugen Vorsicht dessen, der den ganzen Wert der Überlieferung zu würdigen weiß, die neuen Einsichten, die sie um der Sache willen bringen muß, ohne Aufhebens vor. Ihre eigene Methode ist schlichte Darlegung der Sachverhalte, dann Klärung des inneren metaphysischen Wesensbestandes und zuletzt erst Ableitung des Abbildes vom Urbild, der göttlichen Wahrheit selbst. Das ist vom Anfang bis zum Ende Wirklichkeitsnähe, konsequenter kritischer Realismus."

(Alois Dempf: Edith Stein: Endliches und ewiges Sein. In: Philosophisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft. 62. München 1953)

Roman Ingarden: "Hier verschwindet der Unterschied zwischen ihrer philosophischen Stellungnahme und dem, was ohne Zweifel nicht mehr zur Philosophie, sondern zu einer bestimmten Theologie gehört - und was selbstverständlich auf diese oder andere Weise behandelt werden kann. (...) [E]s kann auch sein, daß es das in gewissem Sinne tragische Finale für die Autorin war, das darin bestand, darauf zu verzichten, weiter Philosophie zu betreiben. Sie hat darauf verzichtet, Philosophie auf die Weise zu pflegen, wie sie von Husserl immer wieder auf seine Fahne geschrieben ward und die auch sie ganz und gar übernommen hatte: ‚In der Philosophie darf nichts angenommen werden, dessen absolute Evidenz - nach der durchgeführten Analyse - nicht gewonnen werden kann.'"

(Roman Ingarden: Über die philosophischen Forschungen Edith Steins. In: Roman Ingarden. Gesammelte Werke. Bd. 3: Schriften zur frühen Phänomenologie. Hg. von Wlodzimierz Galewicz, Tübingen 1933)

Roman Ingarden: "[E]s ist eben das Thema, dem sie persönlich am meisten verhaftet war, Endliches und ewiges Sein einschließend. Hier tritt schon eine Struktur hervor, sagen wir (ich weiß nicht, was für einen Terminus ich hier anwenden soll) die Struktur der menschlichen Person. Es wird hier nur hervorgehoben, daß Geist der Person gleich ist; das bedeutet aber, daß dem Leib und der Seele - welche gewissermaßen die letzte Tiefe in mir bildet - ein Unrecht angetan wird. Der Versuch, sich in jenem komplizierten Aufbau des Menschen zu orientieren, muß als ihre große Anstrengung anerkannt werden, obwohl diese - meiner Meinung nach - letzten Endes unbefriedigend ist."

(Roman Ingarden: Über die philosophischen Forschungen Edith Steins. In: Roman Ingarden. Gesammelte Werke. Bd. 3: Schriften zur frühen Phänomenologie. Hg. von Wlodzimierz Galewicz, Tübingen 1933