Gerda Kaltwasser Textforum

Wann wird Maria Louisa geehrt?

Zwei Weiter-Plaketten für ungewöhnliche Frauen. Beifall für Gertrud Müller und Ruth Willigalla

Das Fest im Stadtmuseum schien ganz auf eine Frau zugeschnitten, die vor einigen Jahren, nach 15jähriger Tätigkeit als Ratsdame, aus dem Licht der Öffentlichkeit zurückgetreten war, ohne ihre Interessen zu vermindern oder gar zu verleugnen: Gertrud Müller, langjährige Kultursprecherin der SPD-Ratsfraktion.

Düsseldorfs rein weiblicher Heimatverein, die „Düsseldorfer Weiter“ (Düsseldorfer Mädchen), ehrte sie mit der Verleihung der von Dr. Marianne Kiesselbach geschaffenen bronzenen Johanna-Ey-Plakette. Der Jan-Wellem-Saal des Museums war überfüllt. Oberbürgermeister Klaus Bungert, Oberstadtdirektor Gerd Högener waren gekommen; Kultusminister, Regierungspräsident, Heimatvereine, sie alle hatten Vertreter geschickt, denn keiner hat bis heute Gertrud Müllers Engagement in Fragen der Kultur, der Erwachsenenbildung – übrigens auch der Gleichberechtigung von Mann und Frau – vergessen. Dieses Gleichberechtigungsstreben ließ sie seinerzeit nicht nur den Begriff Ratsdame statt Ratsherrin erfinden, sie pflegte in Ausschusssitzungen ihrerseits die Herren als erste zu begrüßen: „Sehr geehrte Herren und Damen“.

Jetzt wurde sie vom Hausherrn Dr. Wieland Koenig begrüßt, dem die Enge nicht nur den Hinweis auf den dringend nötigen dritten Bauabschnitt für das Museum wert war. Er wies auch darauf hin, dass es Gertrud Müller offenbar ein wenig besser ergehe als einer schön gemalten Dame an der Wand, Anna Maria Louisa von Toscana, zweite Frau Jan Wellems, hochverdient um Düsseldorf, aber bis heute ungeehrt durch das Gemeinwesen.

Gertrud Müllers Verdienste aufzuzählen, war für Ruth Willigalla, Mitbegründerin des Heimatvereins „Düsseldorfer Weiter“, keine einfache Aufgabe. Halten wir uns an das jüngste Engagement der ehemaligen Ratsdame: die Mitgründung des Freundeskreises der Stadtbücherei. Wo sie helfen, wo sie klugen Rat geben kann, tut sie’s noch heute ohne viel Aufhebens. In ihren Dankesworten war es denn auch bemerkenswert, dass sie der Frau gedachte, deren Namen die Plakette trägt, der Johanna Ey, die in den zwanziger Jahren soviel für junge Kunst und junge Künstler in Düsseldorf getan hat.

Was dann kam, war die Überraschung des Tages, am meisten für die Betroffene selbst: Die Mutter-Ey-Plakette für „Super-Weit“ Ruth Willigalla selbst. Tränen der Rührung rollten übers Gesicht. „Abwischen, die Wimperntusche ist nicht wasserfest“, neckte die SPD-Franktionschefin Marlies Smeets die Genossin. Dann hielt Prof. Hans Schadewaldt, Vizebaas der Düsseldorfer Jonges und erster Mutter-Ey-Plaketten-Träger, eine Laudatio auf eine ebenfalls ungewöhnliche Frau. Auch sie war, wie Gertrud Müller, in der Gewerkschaftsarbeit und in der Kommunalpolitik tätig gewesen. Als SPD-Ratsherrin hatte sie sich vor allem der ausländischen Arbeitnehmer angenommen. Ihrem Verein aber war es gelungen, so Schadewaldt, „einen einstimmigen Beschluss (nämlich die Plaketten-Verleihung) besser zu hüten als andere ein Staatsgeheimnis.“

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 25. November 1985