Gerda Kaltwasser Textforum

Wo dem Fürst die Decke auf den Kopf fiel

Versuche, wie man die Düsseldorfer zu Carl Theodor treiben kann

Hinter Schloss und Riegel kommt man in Düsseldorf auf der Ulmer Höh‘. Ihr Schloss ließen die Düsseldorfer nach dem Brand 1872 um 1890 abreißen, weil man sich für die noch aufbaufähige Ruine nicht interessierte. Weg mit dem alten Kram – so damals wie heute die Devise.

Wen interessiert schon, was früher war? Wen interessiert das alte Schloss; wen der Kurfürst Carl Theodor (1724-1799), der zwar nicht in Düsseldorf residiert hat – dem im alten Schloss die Decke sogar buchstäblich auf den Kopf gefallen war –, dessen Wirken aber, anders als das des knapp 100 Jahre vorher in Düsseldorf herrschenden Jan Wellem, bis heute sichtbar ist. Ihm ist der ältere Teil des Hofgartens zu danken; er schuf eine öffentliche Bibliothek, heute Grundlage der Universitätsbibliothek; er ließ Schloss Jägerhof (heute Goethe-Museum) und das Benrather Schloss in seiner jetzigen Form bauen; ein ganzes Stadtviertel, die Karlstadt, dokumentiert sein städtebauliches Konzept. Ihm verdankten die Düsseldorfer auch die Öffnung des Comödienhauses am Marktplatz für das bis heute so genannte „breite Publikum“.

Aber was tun die Düsseldorfer? Sie versäumen die Gelegenheit, diese Glanzzeit im Stadtmuseum, im Theatermuseum und in Schloss Benrath wieder zu erleben. Die großen Heimat- und Brauchtumsvereine, die sich im vorigen Jahr bereit erklärten, an der Finanzierung der Ausstellung kräftig mitzuwirken, lassen die Veranstalter auf 100 000 Mark unbezahlten Rechnungen sitzen.

Museumsleiter Dr. Wieland Koenig, der hinter vorgehaltener Hand als „Hermelinmotte“ gehandelt wird wegen der hochherrschaftlichen Geschichte, die er den Düsseldorfern nahebringen will – Wieland Koenig also hat einen einfachen Plan erdacht, um das Finanzloch zu stopfen: Wenn jeder Düsseldorfer einen Zwanzigmarkschein ans Museum schickte, wären die Rechnungen bald bezahlt. Eine Überlegung, die wohl eher nach Köln passt, wo die Bürger weniger Schwierigkeiten haben, Geschichtsbewußtsein und Offenheit für moderne Entwicklungen in ihrer Brust oder unter einem Hut zu vereinen.

Aber noch ist Düsseldorf nicht verloren. Gestern stellten Dr. Edmund Spohr und Dr. Hatto Küffner an historischem Ort, in der Kunstakademie, in zweiter Aufbindung ihr Buch „Burg und Schloss Düsseldorf“ vor, mit besonderer Betonung der Bauten Carl Theodors. Darin ist bis in alle Einzelheiten auch die Geschichte der Kunstakademie nachzulesen und in Bildern zu erleben, eine Geschichte, die eng mit der des Schlosses und seiner Herrscher verbunden ist. Wie überhaupt die Geschichte der Stadt viel stärker in den alten Mauern, die jetzt der Schlossturm repräsentiert, wurzelt, als der Düsseldorfer heute weiß.

Das Ständehaus, das nach dem Krieg zum ersten Landtagsgebäude des neuen Landes Nordrhein-Westfalen wurde, hatte seinen Vorgänger dicht am alten Schloss. Im alten Schloss war bis zum Brand die Kunstakademie zu Hause. In einem Teil des heutigen Rathauses – im Galerieflügel an der Ecke Burgplatz/Rathausufer – hatte die ruhmreiche Kunstgewerbeschule ihre Räume. Das barocke Treppenhaus gehört zum Einwohnermeldeamt. Kostbare Einrichtungsteile sind in Europa verstreut. Weg mit dem alten Kram.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 30. Juni 2000