Gerda Kaltwasser Textforum

Starb Heine doch an Syphilis?

Ein großes Festjahr im Spiegel des jetzt erschienenen Heine-Jahrbuchs

„Dieses Heine-Jahr ist ein Ehrentitel in Düsseldorfs Stadtgeschichte...“, ein Satz aus Peter Wapnewskis Rede zum 200. Geburtstag Heinrich Heines am 13. Dezember 1997, ein Satz wie Balsam auf die seelischen Wunden all der Düsseldorfer, die sich darüber ärgern, daß ihre Liebe zum größten Sohn ihrer Stadt noch immer nicht weltweit zur Kenntnis genommen wird.

Das jetzt erschienene Heine-Jahrbuch 1998 ist verständlicherweise zu einem großen Teil den Ereignissen des Festjahres gewidmet; die Reden können komplett, das Presseecho kann in Auszügen nachgelesen werden. Akribisch werden auch kleinere Beiträge und ihre Autorinnen und Autoren aufgelistet.

Auch streitbare Beiträge Das Jahrbuch ist die Gabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft an ihre Mitglieder. Die werden sich freuen, immer wieder neue und streitbare Beiträge zu ihrem Lieblingsthema zu lesen. Zum Beispiel von Gabriele Schneider über „Fanny Lewald privat“. Der tatkräftigen und gebildeten Frau, der Schriftstellerin und Briefschreiberin aus dem Heine-Umkreis wird demnächst eine Ausstellung im Heine-Institut gewidmet.

Zu Heines Lebenskreis im Paris der Revolution von 1848 gehörte Georg Herwegh, gehörten Vereine wie die Deutsche demokratische Gesellschaft und 62 000 deutsche Emigranten. Aber kaum ein Franzose sagte: „Das Boot ist voll.“

Die Emigranten konnten sich zu Clubs und Vereinen und sogar zu einer bewaffneten Legion zusammenschließen, deren politischer Führer bis zum blutigen Scheitern Georg Herwegh war. Die Beiträge hierzu stammen von Ingrid Pepperle und Ingo Fellrath.

Für neuen Zündstoff in der Diskussion um Heines schmerzreiche Krankheit und um seinen Tod (die These einer Bleivergiftung sorgte kurzzeitig für Schlagzeilen) wird der Beitrag des hochbetagten Düsseldorfer Mediziners Heinrich Tölle sorgen. Der Praktiker des Arztberufs glaubt aus seinem Wissen und seinen Beobachtungen heraus – ganz ohne moralischen Zeigefinger – eine Syphilis belegen zu können, von der ja auch Heine selbst ausgegangen war.

Bemerkenswert ist auch der zusammenfassende Bericht von Joachim Umlauf über Heine und das Heine-Jahr in Frankreich. Umlauf arbeitet im Maison Heinrich Heine in der Pariser Cité Internationale Universitaire. Das Haus wurde 1973 in Maison Heinrich Heine umbenannt und feierte 1996 das vierzigjährige Bestehen mit einer umfangreichen, zweisprachigen Festschrift. Zu denen, die dem Pariser Heine Haus eng verbunden sind oder waren, gehörte auch der im Heine-Jahr gestorbene französische Germanist Professor Pierre Grappin, dem im Jahrbuch ein Nachruf gewidmet ist. Grappin hat sich, wie auch sein in Düsseldorf und Paris lebender Kollege Gerhard Höhn, um neue Heine-Ausgaben in französischer Sprache verdient gemacht.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 7. Januar 1999