Gerda Kaltwasser Textforum

Orden und ein Meyer, der ein Schmitz ist

„Verzeihen Sie, ich bin eine Stricknadel“

„Meyer ist montags Schmitz“, heißt es auf einem Plakat in Köln. In Düsseldorf war Meyer am Wochenende Schmitz, und zwar im Stadtmuseum, dort, wo er laut Museumsdirektor Dr. Wieland Koenig auch hingehört. Nicht Meyer unbedingt, aber Schmitz, Hermann-Harry Schmitz nämlich, in dessen Gestalt und Werk der Kölner Theatermann Frank Meyer mit Kopf und Geist, Haut und Haar geschlüpft ist. „Verzeihen Sie, ich bin eine Stricknadel“ heißt das Programm, mit dem der Ein-Mann-Darsteller unter anderem in einer Acht-Personen-Groteske des Düsseldorfer Autors Hermann-Harry Schmitz (1880 bis 1913) Triumphe feiert.

„Verzeihen Sie, ich bin eine Stricknadel“ ist der Titel eines Stückes verschmitzter Kurzprosa mit der H. H. S., wie wir ihn der Einfachheit halber nennen wollen, seine Düsseldorfer vor 90 Jahren zum Lachen brachte. Und auch 90 Jahre später wieder.

Im Ibach-Saal des Stadtmuseums, wohin die Düsseldorfer H. H. S.-Sozietät eingeladen hatte - ohne Griff in leere Stadtkassen, versteht sich -, machte so mancher erste und wahrscheinlich nachhaltige Bekanntschaft mit dem Autor, dessen Leben so unglücklich verlief. Er schoß, unter unerträglichen Schmerzen leidend, frei nach Ringelnatz in sich „ein ewig tiefes Loch“. Die Zuschauer im Saal sahen nur die Pistole, konnten allenfalls ahnen, wie H. H. S. die Menschen unter Qualen lachen machte. Und Ringelnatz konnte er ja auch nicht kennen.

Folgerichtige Fortsetzung fand die Groteske mit der Verleihung des Grotesken-Ordens 1992 durch den Vorsitzenden der Sozietät, Klaus Lehmann, an den ehemaligen Ratsherren der Grünen, Günther Classen. Der hatte sich im August handgreiflich mit einem Mitarbeiter seiner Fraktion auseinandergesetzt, seine Entschuldigung war von den Mit-Grünen nicht akzeptiert worden, seit dem gibt es im Rat der Stadt eine siebte Partei. Grotesk?

Der Lustwart der Sozietät, Wolfhard Bode, lieferte an den neuen Ordensträger eine geschliffene Büttenrede ab, die es sorgsam vermied, den Schlagfertigen als Helden darzustellen, vielmehr auf die allgemeine kulturelle Misere in Düsseldorf abhob. Nur hier könne man „mit Lustgewinn in die Röhre sehen“. Und mit dem vorgeschlagenen „Kunsthallen-Kahlschlag“ hat sich der neue Kulturdezernent Hans-Heinrich Grosse-Borckhoff möglicherweise schon in der Riege der Grotesken-Orden-Anwärter für 1993 nach vorn geboxt. Günther Classen, dessen Orden aus Kleiderhaken mit Boxer-Shorts und Handtuch bestand, erwies sich als würdiger Ordensempfänger, machte gute Miene zum grotesken Spiel und betonte, daß seine neue Partei keine „schlagende Verbindung sei“.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 26. Oktober 1992