Germanistisches Seminar II | Philosophische Fakultät | Frauen-Kultur-Archiv | Germaine de Staël 

Femme de lettres und politische Denkerin


 

Das Werk Germaine de Staëls ist gekennzeichnet durch eine intensive Zeitgenossenschaft. Geschrieben in einer Übergangszeit zwischen Spätaufklärung und Romantik reflektieren ihre essayistischen und literarischen Texte historische Erfahrungen in einer Zeit radikaler Umwälzungen.
In den zehn Jahren der Revolution publizierte sie nur tagesbezogene Schriften, um die Jahrhundertwende veröffentlichte sie ihr erstes grundlegendes Werk "Über die Literatur in ihren Beziehungen zu den gesellschaftlichen Institutionen". Durch diesen Text wurde sie eine der ersten, die auf die politischen und soziologischen Aspekte von Literatur hinwies, war also ebenso femme de lettres wie auch politische Denkerin. Germaine de Staël verstand Literatur weniger als Kunst, sondern mehr als Mittel zur Zivilisierung der Menschheit. 

Ihr wohl bedeutendstes Werk ist De l'Allemagne, das bis ins 20. Jahrhundert das französische Urteil über Deutschland mitbestimmte. Über dieses Buch äußerte sich Goethe: "Jenes Werk ist als ein mächtiges Rüstzeug anzusehen, das in die Chinesische Mauer antiquierter Vorurteile, die uns von Frankreich trennte, sogleich eine breite Lücke brach."
Ihre Texte waren Waffen im Kampf gegen Napoleon, in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und dienten auch - wie die Romane Delphine und Corinne ou l'Italie - der Rechtfertigung ihrer eigenen Existenz als unabhängige Frau, die es wagte, mit jenen Gaben zu brillieren, die den Männern vorbehalten waren. Ein Leben lang war Germaine de Staël eine unbequeme Frau, die gegen eine doppelte Moral und Vorurteile, sei es ihre eigene Person, die Rolle der Frau im allgemeinen oder - wie in De l'Allmagne - andere Nationalitäten betreffend, ankämpfte. Heute sind ihre Einsichten gültiger denn je:

"Wissenschaftlicher Fortschritt macht moralischen Fortschritt zu einer Notwendigkeit; denn wenn die Macht des Menschen wächst, müssen die Hemmungen verstärkt werden, die ihn davon abhalten, sie zu missbrauchen."

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