SCHRIFTLICHKEIT

Theaterkritik

Liebe und Gerechtigkeit

„Die Gerechten“ von Albert Camus im FFT/JuTA Düsseldorf


Um 1905 haben sich fünf junge russische Idealisten zusammengefunden um durch ein politisches Attentat auf den Großfürsten ein Zeichen für die Gerechtigkeit und die Befreiung des russischen Volkes zu setzen. Sie treffen sich in einem Zimmer, dargestellt durch eine rechteckige Bühne über der vier Wände schweben. Dieser beengte Raum, um den das Publikum ringsherum sitzt, ist der Ort des Geschehens der ersten drei Akte.

Da sind Janec, der sich selbst Dichter nennt und das Leben liebt und Dora, die die Bomben herstellt. Sie beide verbindet eine zarte Liebe zueinander, die allerdings im Schatten der Organisation und hinter der Liebe zum Volk steht. Alexey, vom Idealismus zum Terrorismus gekommen, zweifelt daran die Aufgaben der Organisation ausführen zu können, er verlässt seine Kameraden. Stepan, der durch Gefangenschaft gezeichnete Fanatiker ist unzufrieden mit allen, er selbst will die Bomben werfen. Zusammengehalten wird die Gruppe von Boris, der kühlen Kopf behält und immer wieder die verschiedenen Charaktere zu vereinen und die Konflikte zu lösen hat.

Jeden der fünf jungen Menschen treiben unterschiedliche Beweggründe voran. Bald stellt sich heraus, dass die Bewertung der Tat und auch die Grenzen sehr unterschiedliche Reichweiten besitzen. Nicht nur die jungen Darsteller, auch der Zuschauer wird mit der Frage der Gerechtigkeit konfrontiert. Besonders deutlich werden die Konflikte durch die poetische Sprache Camus´, die den Zuhörer fasziniert bannt.

Nach der Pause ist die räumliche Position von Publikum und Schauspieler vertauscht. Doch nicht nur, dass das Publikum nun aus dem Raum heraus schaut, wir befinden uns in der Inszenierung von Walter Meierjohann plötzlich auch in der Gegenwart und werden Zeugen der Gefangenschaft und Hinrichtung Janecs.

Wo man die ganze Zeit den aktuellen politischen Umständen entsprechend den Realitätsbezug dieses 1949 von Camus geschriebenen Stückes „Die Gerechten“ geahnt hat, so findet man ihn nun bestätigt. Und auf einmal fühlt man sich selbst beengt und genötigt, dieses Stück nicht einfach zu konsumieren, sondern sich mit der Thematik auseinander zu setzen und zu urteilen.

In der Inszenierung wird auf die Phantasie der Zuschauer gesetzt. Das Spannende, so der Regisseur, seien die Bilder, die durch seine Umsetzung des alten, aber auch hochaktuellen Themas Terrorismus unbeabsichtigt in den Köpfen entstehen. Ein ständiger Wechsel zwischen Realität und Surrealität fordert das Publikum heraus, aufmerksam zu sein, der Assoziation sind keine Grenzen gesetzt.

Die acht Schauspielschüler der Hochschule für Schauspielkunst Berlin „Ernst Busch“ schafften es bei der ersten Aufführung von „Die Gerechten“ von Albert Camus Ende Oktober im FFT/ JuTA in Düsseldorf die sechzig Zuschauer zwei Stunden lang durch hervorragende Schauspielkunst, phantastisches Bühnenbild und ein aktuelles Thema in ihren Bann zu ziehen. Zum Dank gab es begeisterten Applaus und eine Rose für jeden der jungen Künstler.

Oda Sabelberg (Oktober 2003)