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Konferenz „Queerying Japan“ – Ein Blick auf die Märkte und den Konsum

Andrea Germer bei der Eröffnung der Konferenz

Andrea Germer bei der Eröffnung der Konferenz. Foto: Huynh Vu Thuy Doan

Anfang Juli hat unser Institut (Lehrstuhl I, Prof. Dr. Andrea Germer) die internationale Konferenz „Queerying Japan“ organisiert, die auf reges Interesse stieß und zu lebendigen Diskussionen angeregt hat. Drei Masterstudierende unseres Instituts waren dabei und berichten in nächster Zeit hier auf dem Blog von einzelnen Panels der Veranstaltung. Den Anfang macht heute Dana Persch, die sich besonders dem Thema „Markets and Consumers“ gewidmet hat.

Bei wunderschönem sonnigen Wetter fand am 6. und 7. Juli die Konferenz „Queerying Japan“ im Haus der Universität in Düsseldorf statt. Die vom Institut für Modernes Japan organisierte Konferenz war die erste ihrer Art in Deutschland, die „queer subjects“ thematisierte und hoffentlich weitere Veranstaltungen anregen wird. Über die Frage, wie Geschlecht und Sexualität soziale Beziehungen formen und über Chancen im Leben entscheiden, diskutierten Teilnehmer aus Japan, Deutschland, Australien und den USA.

Der Forschungsbereich der „Queer Studies“ ist noch eine relativ junge kulturwissenschaftliche Forschungsrichtung, die Geschlecht, Sexualität und sexuelle Identitäten untersucht. Innerhalb dieser sehr breit aufgestellten Themen fokussierte sich das Symposium vor allem auf die Gesetzeslage und Politik, auf die Institution Ehe, auf Konsum und Märkte, auf das Gesundheits- und Erziehungswesen und auf Populärmedien. Aus den fünf Panels, die sehr unterschiedliche Teilbereiche des Themas ansprachen, habe ich mir Konsum und Märkte für eine nähere Betrachtung ausgesucht und werde im Folgenden die drei Redebeiträge zu diesem Thema vorstellen.

Ich habe mich im Vorfeld bereits gefragt, wie in den letzten Jahren aus Konsumentensicht „queer subjects“ und „LGBTIQ“ Beachtung fanden, welche Rolle die Medien spielen und wie sich die Märkte in Japan in Bezug auf diese Themen verhalten.
Einen Einstieg in das Thema lieferte der Soziologe Kawaguchi Kazuya von der Hiroshima Shudo Universität durch seinen Vortrag „Consuming gay identity and lifestyle in Japan: consideration on a TV program“. Am Beispiel der Fernsehserie „Shutsubotsu! Adomachikku tengoku“ (seit 1995) beschreibt Kawaguchi, wie sexuelle Minderheiten oder Orte, die mit diesen Minderheiten verbunden werden, kommerzialisiert wurden. Neben einer allgemeinen Zunahme von Filmen, TV-Serien und Artikeln über sexuelle Minderheiten seit den 1990er Jahren, seien die Märkte immer wieder auf der Suche nach neuen LGBT-Konsumenten. Kawaguchi ging es in seiner Darstellung vor allem darum aufzuzeigen, wie sehr die Visualisierung durch eine bestimmte TV-Serie die öffentliche Meinung zu einem Thema verändern kann und wie sehr Bilder uns beeinflussen.

Diese Serie spielt in verschiedenen Stadtteilen in und um Tōkyō, in denen wiederum Locations durch einen Kommentator vorgestellt und bewertet werden. Vor allem die Ausstrahlung über den Stadtteil Shinjuku Ni-chōme im Jahr 2004 zeige sehr deutlich, wie sich das Image eines Stadtteils durch die Serie ändern kann. Der zuvor allgemein eher gemiedene Stadtteil ist bekannt für seine zahlreichen „gay bars“ und gelte als Szenegebiet (so Kawaguchi). Das exotische Bild einer eigenen Kultur, die die Serie beschreibt, habe den Stadtteil sehr beliebt gemacht und viele erst über das Thema aufgeklärt. Die „Heilung“ (jap. iyashi), die dadurch bei vielen Zuschauern stattgefunden habe, sich dem Thema gegenüber nicht mehr zu verschließen, sieht Kawaguchi durchaus kritisch. Seine Studenten hätten in ihrem Feedback zur Serie kaum noch sexuelle oder erotische Verbindungen zu der Serie hergestellt: „[…] the students desexualized ‚Ni-chōme‘ (or ‚Ni-chōme‘ people) […]“.

Die Darstellung sei somit eher darauf ausgerichtet, neue Konsumenten zu gewinnen und nicht ein realistisches Bild der Szene zu zeichnen oder generell aufzuklären. Der mediale Einfluss müsse immer kritisch betrachtet werden und die Intention der Produzenten im Hinterkopf behalten werden. „The influence of media is really strong, that is shown even by surveys on the question where people get their information on ‘LGBT‘-topics from. Most answered, they only know from television about the topic.”, sagt Kawaguchi in einem kurzen Interview.

Im zweiten Vortrag wurde ebenfalls die Darstellung in den Medien – vor allem in Online-Medien – thematisiert. Elisabeth Scherer stellte in Ihrem Vortrag „Queer wedding ceremonies in Japan“ das gezielte Marketing der Hochzeitsindustrie vor, die zunehmend Angebote für gleichgeschlechtliche Paare anbietet. Obwohl die „queer wedding ceremonies“ in Japan nicht gesetzlich anerkannt sind, da nach wie vor keine gleichgeschlechtlichen Ehen möglich sind, gibt es immer mehr Paare, die sich dafür entscheiden, ihre Beziehung mit einer entsprechenden Zeremonie zu feiern. Es handelt sich dabei teilweise auch um eine öffentliche Demonstration für gleiche Rechte und die Ablehnung der konventionellen Ehe, die in Japan das Spiegelbild heterosexueller Identität darstellt.

Seit 2010 gibt es die ersten professionellen Anbieter für LGBT-Hochzeitszeremonien in Japan, die vor allem eine Hochzeit „wie im Westen“ verkaufen. Weil es sich aber um ein Tabuthema handelt, sind die (Online-)Angebote oft verdeckt, auf Fotos sind keine Gesichter zu sehen, bestimmte Schlagwörter werden vermieden und es wird versucht nach außen das Bild einer „normalen“ Hochzeit zu kreieren. Ein spezielles Branding wie „rainbow wedding“ oder „partnership wedding“ verdeckt den eigentlichen Hintergrund des strittigen Themas.

Einerseits ist der LGBT-Hochzeitsmarkt so lukrativ, dass sich die Agenturen mit ihren Angeboten fast überschlagen und andererseits ist das Thema noch immer schwierig anzusprechen, sodass es nur verdeckt oder mit einem „normalen“ Anschein öffentlich vertretbar ist. Die Angebote für gleichgeschlechtliche Paare nehmen zwar zu, haben aber fast immer eine Sonder-Webseite, getrennt von den Angeboten heterosexueller Paare und sind oft nur bei gezielter Suche zu finden.

Den Einfluss von Medien und Bildern zeigte in besonderem Maße das Instagram-Foto eines lesbischen Paares auf der sogenannten „Disney Wedding“, einer glitzernden Trauungsfeier im Disneyland Tōkyō. Das Foto wurde in der Öffentlichkeit sehr positiv wahrgenommen und stellte eine schillernde Traumhochzeit dar, die aber nur wenig in politischer Weise auf das Thema LGBT bezogen oder diskutiert wurde. Was könnte auch an einer Hochzeit im beliebten Disneyland verwerflich sein? Es werden Bilder von glänzenden LGBT-Hochzeiten entworfen ohne dabei die Thematik zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Dadurch wird der Eindruck erzeugt, dass sich in Japan etwas verändert hat in Bezug auf LGBT, aber in Wirklichkeit ist noch nichts erreicht worden, was Gleichberechtigung betrifft.

Der dritte Vortrag von Iseri Makiko ersetzte spontan den Vortrag der kurzfristig erkrankten Ilse Lenz und widmete sich der ebenso brisanten Thematik von Menschen mit Behinderung und ihrem Kampf um mehr Rechte. Der Vortrag „Showcasing Diversity: Disability, Market and Queer/Crip Criticism“ wirkte zunächst etwas distanziert zum Themenblock, zeigte dann aber doch einige Parallelen zu bisher diskutierten Punkten auf.
Auch in diesem Beispiel diente ein gezieltes Marketing von behinderten Athleten und Olympioniken als „Supermenschen“ dazu, medial das Bild von Gleichberechtigung und einem aufgebesserten Image von Menschen mit Behinderung zu schaffen. Der Tōkyōter Stadtteil Shibuya habe im Rahmen seiner „diversity policy“ ebenfalls versucht, mit gezielten Branding Kampagnen das Bild von Behinderung zu verändern. Es zeigten sich jedoch ähnliche Schwierigkeiten wie beim Thema LGBT, denn auch Behinderung ist ein Tabuthema, das in der Öffentlichkeit viel zu wenig diskutiert wird.

Iseri verweist auf das Verfließen von Begriffen wie „crip“ (deut. „Krüppel“) und „queer“ (deut. „eigenartig“, „sonderbar“), bei denen die Grenzen langsam verschwimmen. Beide Themen haben ähnliche Schwierigkeiten Anerkennung zu finden und die Betroffenen kämpfen in beiden Fällen um ihre Rechte und allgemeine Gleichberechtigung. Die eher künstlich wirkenden Kampagnen sind dabei wenig hilfreich und erzeugen eher ein unscharfes Bild, das von der Realität ablenkt.

Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen, zeigen alle drei Beiträge, dass die mediale Repräsentation von LGBT zwar umfangreich und einflussstark ist, es sich aber meist um Marketingstrategien handelt, die ein gezieltes Bild erschaffen und dieses für den Kommerz nutzen. Die Märkte scheinen sich zunehmend auf LGBT einzustellen und sich auf neue Zielgruppen auszurichten ohne dabei kritisch zu reflektieren, wie die Situation der Betroffenen wirklich aussieht. Auch wenn diese Bilder oft sehr schillernd, positiv behaftet und eindrucksvoll sind, spiegeln sie nicht die Konflikte wider, mit denen gesellschaftliche Minderheiten zu kämpfen haben.

Abschließend möchte ich sagen, dass alle Beiträge des zweitägigen Symposiums sehr spannend waren und an vielen Stellen zum Nachdenken und Diskutieren anregten. Mir hat besonders die Vielfältigkeit der Beitragsthemen und der dadurch zustande gekommenen Diskussionsrunden gefallen. Ich bin gespannt, ob es in Zukunft weitere Veranstaltungen zu diesem viel zu wenig anerkannten Thema geben wird.

Dana Persch

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