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Unter Backpackern: Feldforschung mit dem Rucksack …

 … METHODENWORKSHOP mit Dr. Katrin Ullmann

Katrin Ullmann

Dr. Katrin Ullmann

Am 28. November durften wir Frau Dr. Katrin Ullmann in unserem Masterseminar „The Japanese Foodscape in Dusseldorf – ein empirisches Projekt zu Lebensentwürfen im Ausland“ (Nora Kottmann) begrüßen. Sie promovierte an der HHU in Düsseldorf am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft und ist derzeit an der Hochschule Düsseldorf tätig. Sie sprach mit uns über die inhaltlichen und methodologischen Erkenntnisse ihrer langjährigen Feldforschung zum Thema „Backpacking“. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf Generationenforschung. Obwohl ihr Forschungsgebiet also nicht direkt mit der Gastronomie Düsseldorfs in Verbindung steht, bot sich uns hier die Gelegenheit, wertvolle Einblicke in ihre konkreten Forschungsmethoden zu erhalten. Katrin Ullmann teilte die Herausforderungen einer Feldforschung in die folgenden Punkte ein, welche sie dann am Beispiel ihrer eigenen Forschung veranschaulichte.

  1. Was will ich mit meiner Arbeit konkret untersuchen?
  2. Auswahl der Untersuchungsgruppe
  3. Verbindungen festmachen/Forschungsfeld bestimmen
  4. Was zeichnet die Untersuchten aus?
  5. Eigene Position im Feld
  6. Forschungsdesign/Methodik
  7. Veranschaulichung der Ergebnisse

„Braucht man einen Backpack, um Backpacker zu sein?“ So lautete unsere erste Frage an Dr. Ullmann. Ihre Antwort: Da der Backpack quasi das Emblem dieser Reiseart sei, sollte man als Backpacker auch einen Backpack tragen. Dies sei jedoch kein absolutes Kriterium, sodass Backpacking mit einem Rollkoffer durchaus möglich wäre, wobei dann in der Regel von sogenanntem „Flashpacking“ die Rede sei. Laut Dr. Ullmann sei es schwierig, eine ausdrückliche Definition von „Backpacking“ zu geben, weil es sich dabei um einen sehr schwimmenden Begriff handle, welcher von der Backpacker-Szene selbst umstritten ist. Da Backpacker sich selbst eher als Individualreisende betrachten, würden sich viele vor allem nach längerem Reisen nicht mehr selbst als Backpacker bezeichnen wollen. Backpacking sei ein Feld, welches viel mit Distinktionen arbeitet und sich stark zu anderen Reiseformen, insbesondere denen des Massentourismus, abgrenzen möchte.Buch Katrin

Die Kategorie des Backpacking sei somit keine objektive, sondern eine Identitätskategorie, der sich Backpacker selbst zuordnen. Backpacker bräuchten Grenzen, um den Status der Welterfahrenheit, oder globality (Binder), zu erlangen. Damit können Backpacker einerseits über soziale Medien etc. vor den „Zuhause Gebliebenen“ prahlen, andererseits gäbe es auch eine Art Konkurrenzkampf innerhalb der Szene, um durch den eigenen „Roadstatus“ (Sørensen) Ansehen zu erlangen. Zu diesem Zweck diene das sogenannte „place-dropping“ (Binder), also das Erwähnen von Orten, an denen man bereits war, wobei möglichst exotische Orte, Weltstädte, oder Bildungskulturstellen am meisten Wirkung erzielen könnten.

Backpacking sei als sehr identitätsfokussierte Praktik von vielen Kulturwissenschaftlern betrieben worden und könne als Teil einer „geografischen Suchbewegung“ bezeichnet werden. Dabei werde diese Reiseart in Erzählungen viel mit Interkulturalität verbunden, obgleich sie „an einigen Stellen jedoch sehr abstrus“ sei und mit dem „Hin- und Herschwingen zwischen Kosmopolitismus und postkolonialer Situation und kolonialen Vorurteilen“ durchaus ihre Ambivalenzen habe. Im Hinblick auf das eigene methodische Vorgehen wies Dr. Ullmann darauf hin, sich stets der eigenen Position im Feld bewusst zu sein und sich genau zu überlegen, wieviel Informationen über sich selbst man preisgibt.

Die bisher unberührte Frage, wer denn Backpacking mache, wusste Dr. Ullmann natürlich auch zu beantworten: Es seien überwiegend Menschen aus dem weißen Mittelstand mit genügend Geld, meist westliche Gesellschaften (auch wenn die Praktik in Asien zunähme); hauptsächlich Amerikaner, Europäer, und Israelis. Für Israelis sei im Gegensatz zu Amerikanern und Europäern das Backpacking weniger etwas, was mit der Absicht des Aussteigens und des Sich-Erfahrens gemacht wird, sondern es diene ihnen zur Aufarbeitung dessen, was sie im Militärdienst erfahren haben, im Anschluss dessen sie sich meist in Gruppen auf solche Reisen begäben (Cohen). Backpacking sei somit ein globales Phänomen, von welchem Menschen mit ähnlichen Herkunftsstrukturen, aber unterschiedlichen Vorerfahrungen Gebrauch machen.

Bei ihren zahlreichen Interviews über einen Zeitraum von acht Jahren musste Dr. Ullmann aber auch erschreckende Erkenntnisse machen: So gäbe es innerhalb dieser transkulturell-erfahrenen Gruppe immer noch viele alte Feindbilder gegenüber anderen Kulturen und Ländern. Die Interviewten berichteten von „armen Osteuropäern“, dummen Amerikanern“ oder von „kriegslustigen Serben“.

Gibt es japanische Backpacker?

@MIKI Yoshihito

@MIKI Yoshihito

Uns hat natürlich interessiert, ob sie innerhalb ihrer 71 Interviews mit Personen aus 32 Ländern auch einen japanischen Backpacker getroffen hat.

Tatsächlich interviewte Dr. Ullmann einen Japaner in Kolumbien, den sie als „fleißigster Backpacker von allen“ bezeichnet. Er habe eine Liste geführt, in der er alle besuchten Länder dokumentierte. Er selbst berichtete, dass Backpacking eher untypisch für Japaner sei, doch er wäre laut Selbstaussage im Interview Teil der „Generation 20“, eine Generation, die „machen darf, was man will“. Nachdem er mehrere Jahre in Amerika gearbeitet hatte, entschied er sich dafür, als Backpacker die Welt zu bereisen. Dieser für Japaner recht unregelmäßige Karriereverlauf funktioniere aber nur in seinen 20ern. Danach müsse er wieder ins normale Arbeitsleben zurückkehren.

Private Erfahrungen innerhalb des Kurses deuteten darauf hin, dass sich immer mehr Japaner beim Reisen bewusst von dem „Normalen“ abgrenzen und in kürzester Zeit so viel erleben wollen wie nur möglich. Dr. Ullmann bestätigte diese These und wies auf aktuelle Forschungen hin, die zeigten, dass tatsächlich immer mehr Japaner sich auf das Abenteuer mit dem Backpack begeben.

Wir bedanken uns bei Dr. Katrin Ullmann vielmals für das hochinteressante Gespräch und ihre wertvollen Tipps zum methodischen Vorgehen in der Feldforschung. Für diejenigen, die sich noch mehr für die Forschung von Katrin Ullmann interessieren, wird sich ein Blick in ihr vor ein paar Monaten veröffentlichte Buch Generationscapes: Empirie und Theorie einer globalen Generation lohnen.

Text: Rahel Niedermann, Kerry Koma