Austausch und Japanaufenthalt

Live und Direkt aus Chiba!

Diese Woche endet mit dem ersten Teil einer Serie, die wir schon länger geplant hatten – wie erleben eigentlich „unsere“  留学生 ihren neuen japanischen Alltag?

Was gibt es zu berichten, was gibt es zu beachten und – was ist los in Japan?Wir laden alle ein, sich hier zu beteiligen und können in der nächsten Woche schon auf den Bericht von Maggie Truong (Yokohama) verweisen – diese Woche aber startet unsere Reihe mit ein paar nachdenklichen Gedanken aus Chiba von Christoph Winnefeld – viel Spaß beim Lesen und ein großes Dankeschön nach Chiba für diesen Startschuss!

Consumerism is War and Crisis

Japans GOLDEN WEEK aus der Sicht eines Daheimgebliebenen


„I’m huddled here under my desk, face covered in a paper mask, bottle of hand sanitizer by my side, a sharp stick at the ready in case anyone from Mexico ventures within breathing distance.“

Ungefähr so, wie es James Rainey von der Los Angeles Times farbenreich beschreibt, dürft Ihr euch meine derzeitige Situation in Chiba vorstellen. Japans GOLDEN WEEK, welche vom Namen her paradiesische Zustände erhoffen lässt, begann für mich bereits Freitag, den 1. Mai und „Tag der Arbeit“, an dem sich, wie man vernehmen darf, rund 5.000 Demonstranten in Berlin die Zeit nahmen, 14 Polizeibeamte in die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit zu demonstrieren.

GOLDEN WEEK, ein Wochenende und vier Nationalfeiertage, das bedeutet in Japan vor allem, überfüllte Züge und Fernbusse, unendliche Schlangen vor den In-Treffs der Stadt und schieres Chaos in und um jede innerjapanische Sehenswürdigkeit. Dieses Jahr, werden die Feiertage von mehreren bemerkenswerten Ereignissen begleitet. Nicht nur, dass sich der Großraum Tôkyô zeitweilig, bedingt durch die ersten Verdachtsfälle von Schweine-Grippe, die man hier in Japan zärtlich als „豚インフル“ (Buta-Infuru) durch den Mundschutz haucht, in ein Meer aus weißen Atemschutzmasken verwandelte, nein, noch viel bemerkenswerter ist es, dass der Japaner, trotz Weltfinanzkrise, seinem gewohnten Konsumverhalten während der GOLDEN WEEK, frönen darf. Der von der Regierung Asô entworfene Wirtschaftsstimulus, erreicht hier, anders als in Deutschland, wo sich Stimulanzen eher in Form von verzweifelten staatlichen Übernahmeangeboten für angeschlagene Kreditinstitute präsentieren, den Japaner hautnah und direkt in die Brieftasche.

In der Tat, der Japaner konsumiert zu wenig, wie es Professor Hugh Patrick von der Columbia Business School zu konstatieren wusste. Anders als in den USA, wo sich Gründe für die derzeit anhaltende Finanzkrise, ausgehend von einem Finanzdebakel im Immobilienkredit-Sektor, eher in der Strukturierung und den Praktiken des Finanzsystems finden lassen, wurde Japan innerhalb der zurückliegenden fünf bis sechs Jahre zu abhängig von seinen Exporten. Konsum nimmt innerhalb des japanischen Bruttoinlandsprodukts, beziffert bei ca. 55%, schlicht und ergreifend einen zu geringen Stellenwert ein.

Schließlich sollte das, wiederum als economic stimulus vermarktete, neue Maut-System, welches, an Wochenend- und Feiertagen, für eine einmalige Gebühr von 1.000 Yen uneingeschränkte Benutzung der japanischen Autobahnen, außerhalb der Ballungszentren Tôkyô und Ôsaka, ermöglicht, noch verbliebene Ressentiments gegen ungehemmten Konsum während Fernreisen innerhalb der japanischen Landesgrenzen auch ausgeräumt haben.

Wer jetzt noch nicht sein Unwesen auf Japans Fernverkehrswegen treibt, der ist wohl, wie ich, zuhause geblieben. Allerdings gibt es immer einen nächsten JLPT-Prüfungstermin, auf den man sich vorbereiten kann. In diesem Sinne: GANBATTE !

Aus Japan

Christoph Daniel Winnefeld