MARTIN-BUBER-WERKAUSGABE

Aufgabe

Martin Buber (1878-1965) betrachtete sich als integrativer Denker mit der Aufgabe, das Judentum in einen unapologetischen Diskurs mit der Moderne zu bringen. Bubers traditionelle jüdische Erziehung in Galizien sowie sein gleichzeitiger Erwerb der deutschen Kultur trugen wesentlich zu der außergewöhnlichen intellektuellen Bandbreite seines Werkes bei. Aufgrund  seiner einzigartigen interkulturellen Stellung fungiert sein Werk sowohl als Brücke zwischen ost- und westeuropäischem Judentum, zwischen dem mystisch-mythischen Erbe des Chassidismus und der aufgeklärten, vom Humanismus geprägten europäischen Kultur, als auch zwischen Judentum und Christentum. Bubers Werk ist eines der wenigen Beispiele "geglückter Assimilation" (Hanna Ahrendt), insofern es die deutsche Kultur für die jüdische Tradition fruchtbar gemacht hat. In diesem Sinne war Buber Kulturzionist, Bibelinterpret, Erwachsenenbildner, Friedenspolitiker und Religionsphilosoph.

Sein Ansatz und seine Vorgehensweise, wie zum Beispiel seine von Gershom Scholem scharf kritisierte Deutung des Chassidismus, lösten vielfach wissenschaftliche Kontroversen aus und blieben bis heute umstritten. Dennoch hat Bubers eigentümliche Darstellung spezifischer Aspekte des Judentums seit Anfang dieses Jahrhunderts erheblich zu einer Neuinterpretation religiöser Texte beigetragen. Ferner liefert Bubers Werk bis heute wichtige Impulse zur Auseinandersetzung mit der Frage, wie religiöse Tradition in eine moderne säkulare Kultur zu integrieren ist. Aus seiner Rolle als Vermittler zwischen den Kulturen entwickelte Buber seine dialogische Lehre, deren Anziehungskraft im Bereich der Human- und Kulturwissenschaften bis heute ungebrochen ist.

Die Tatsache, dass derzeit nur Einzelausgaben bestimmter Werke Bubers und begrenzte, zumeist unkommentierte Sammlungen seiner Schriften vorliegen, erschwert eine Neubewertung seines Denkens und lässt eine Werkausgabe dringend notwendig erscheinen. Dies umso mehr, als die 1980 erschienene Bibliographie seiner (veröffentlichten) Schriften über 1.500 Einträge zählt. Die Zusammenstellung von Bubers Werken erlaubt eine systematische Erschließung seiner hermeneutischen Methode, die eine Weiterentwicklung der Lehren seiner einstigen philosophischen Mentoren, Wilhelm Dilthey und Georg Simmel, darstellt. Die MBW beabsichtigt eine bislang fehlende Kontextualisierung und Einbettung Bubers in die jüdische Geisteswelt wie auch in die kulturelle Umwelt seiner Zeit. Die 21 Bände der Werkausgabe sollen die mehr als sechs Jahrzehnte andauernde, weit verzweigte intellektuelle Tätigkeit Bubers dokumentieren und seinen Beitrag zu den kulturellen und politischen Debatten des 20. Jahrhunderts verdeutlichen. Die Arbeit an der Werkausgabe wird von einem internationalen Herausgeberteam verantwortet, an dem Wissenschaftler aus Israel, Deutschland, den USA und England beteiligt sind. Die äußerst umfangreichen Bestände des Martin Buber Archivs in der Jüdischen National- und Universitätsbibliothek Jerusalem sind unentbehrlich für die Vorbereitung und Erstellung der MBW. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Buber-Archiv ist darum wichtiger Bestandteil der Arbeit an der MBW.