Texte von Doris Burkhardt

Was bedeutet mir hier und heute Lebensqualität?
(Januar 2002)

(aus dem Nachlass von Doris Burkhardt, aufbewahrt im Frauen-Kultur-Archiv der HHUD)

Meine Rede zum Internationalen Frauentag

für das Frauenforum – am 8. März 1988 auf der DGB-Veranstaltung, Schadowplatz um 17 Uhr

Ich bin Doris Burkhardt und arbeite in der autonomen Frauenbewegung in Düsseldorf, unter anderem bei KOM’MA, der Düsseldorfer Frauenzeitung mit Veranstaltungskalender. Außerdem gehöre ich zur Initiative „Frauen ins Düsseldorfer Rathaus“ und arbeite hierfür auch in dem VHS-Kurs „Frauen in der Kommunalpolitik“.

Solidarisch mit der Arbeit der DGB-Frauen spreche ich heute für Frauen der autonomen Frauenbewegung in Düsseldorf.

Heraus zum Frieden – gegen die unsozialen Sparmaßnahmen!

Unter einer ähnlichen Losung fanden die ersten Demonstrationen zum Internationalen Frauentag vor dem 1. Weltkrieg in Deutschland statt.

Heraus zum Frieden – gegen die unsozialen Sparmaßnahmen! – unter diesem Motto erschien am 6. März 1982 in einer Düsseldorfer Tageszeitung eine Anzeige. – Frauen aus unterschiedlichen Bereichen, Gruppen und Initiativen der Düsseldorfer Frauenbewegung riefen darin zur Demonstration auf für den 8.3.1982.

Wir gingen immer wieder zum 8. März auf die Straßen. Die alten Forderungen und Kämpfe sind so aktuell wie eh und je. Ich will sie hier knapp zusammengerafft nennen:

Frauen fordern Frieden ohne Waffen. Wir wehren uns gegen Krieg und Militarisierung, gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr, gegen die Dienst-Verpflichtung von Frauen - auch im zivilen Bereich, - gegen die Herstellung, Lagerung und den Export aller Waffen! Wir wehren uns gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus!

Wir fordern das Recht auf Erwerbsarbeit für alle mit Lohngleichheit – bei schrittweiser Einführung des Sechs-Stunden-Tages und Arbeitszeit-Verkürzung bei vollem Lohnausgleich, - eine eigenständige, Existenz sichernde Rente mit Anerkennung von Erziehungszeiten, dazu ausreichende Versorgung mit Kindertages-Stätten und Ganztagsschulen!

Wir fordern Recht auf Selbstbestimmung – wir wehren uns gegen Diskriminierung und Berufsverbot von Lesben, gegen die Herabsetzung der Frau als Sexual-Objekt, gegen frauenfeindliche Werbung und Berichterstattung in Schrift, Bild und Ton!

Wir erheben auch 1988 diese Forderungen! – Die Verwirklichung steht noch aus!

Der so genannte Fortschritt in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft ist nicht immer im Sinne von Frauen. Hier einige Beispiele:

Die Gen- und Reproduktionstechniken schaffen neue Probleme im sozialen, ökologischen und ethischen Bereich und eröffnen neue Möglichkeiten der Ausbeutung von Frauen. Bei den Techniken – Zeugung im Reagenzglas/Embryonen-Verpflanzung – wird die Frau sozusagen zu einem „Gegenstand mit verwertbarem Material“ degradiert.

Außerdem bestehen die Gefahr der Selektion und die Gefahr der Manipulation an überzähligen Eizellen oder Embryonen. –

Es wird die fragwürdige Idee der „Pflicht der Frau zur biologischen Mutterschaft“ gefördert und die Würde der Frau herabgesetzt. – Unsere Selbstbestimmung verkehrt sich in eine Abhängigkeit von der Kontrolle verschiedener Experten. –

Wir wehren uns gegen Frauen verachtende Techniken!! - und gegen Einschränkungen der Meinungsfreiheit!

Hier muss ich zum Beispiel an das Essener Gen-Archiv und andere Gruppen erinnern, die im Augenblick besonderen Repressionen ausgesetzt sind, weil sie sich kritisch mit den Gen- und Reproduktionstechniken auseinander setzen.

Besonders sei erinnert an die kritischen feministisch arbeitenden Ingrid Strobl und Ursula Penselin, deren Haftentlassung wir fordern!

Die Koalitions-Absprachen über die neuen Strafgesetz-Entwürfe zur Problematik „Sexuelle Nötigung / Vergewaltigung in der Ehe/Konstruktion der so genannten „minderschweren“ Fälle können eine angestrebte Verbesserung für Frauen ins Gegenteil verkehren! – So wird zum Beispiel bei Vergewaltigung eine Herabsetzung der Mindeststrafe von zwei Jahren auf ein Jahr angestrebt.

Hier muss ich die bundesweite Forderung von Frauen nach Antidiskriminierungs-Gesetzen wiederholen! – In Bonn liegen bereits seit 1978 dazu Gesetzesvorschläge vor. Also seit 10 Jahren!! In den USA gibt es z. B. seit 1964 Anti-Diskriminierungs-Gesetze. -

Die Themen „Rechts-Stellung der Frau bei Vergewaltigung“, „Frauen-Nacht-Taxi in Düsseldorf“ und anderes mehr werden in der „Frauen-Woche“ vom 19. bis 26. März in der „Werkstatt“, Börnestraße, behandelt.

Ich weise hier außerdem auf die schreckliche Situation der Frauen auf dem Universitäts-Gelände hin und auf die dort ungenügend geregelte Verkehrs-Anbindung in dieser Stadt!! – Eine Hilfe und Verbesserung ist dringend erforderlich!

Eine weitere Einschränkung des Selbstbestimmungs-Rechts der Frauen bedeutet das geplante Beratungsgesetz zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Jahrzehntelang kämpfen Frauen für die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch. Anstatt dieser Forderung nachzukommen, soll der § 218 durch das Hintertürchen noch verschärft werden!

Das neue Beratungs-, oder ehrlicher gesagt, das neue „Bevormundungs“-Gesetz wird knallharte Richtlinien enthalten, hier nur die schlimmsten:

Frauen sollen zum Fortsetzen der Schwangerschaft sozusagen überredet werden und Partner, Eltern, Arbeitgeber sollen in die „Beratung“ mit einbezogen werden.

Die Beraterinnen/Berater und Ärztinnen/Ärzte in den Beratungsstellen sollen zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen zum Thema „Schutz des ungeborenen Lebens“ verpflichtet werden. Insgesamt soll die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs verzögert und erschwert werden – das heißt,

Frauen sind in Ihrer Not weiteren Repressionen ausgesetzt. Das geplante Beratungs-Gesetz wird nicht die Anzahl der Abbrüche verringern, sondern Frauen in die Illegalität zurückstoßen! (sprich zum Beispiel Hollandfahrten! – und was machen Frauen ohne Geld??!

Deshalb fordern wir Beratungsangebote auf freiwilliger Basis, die Finanzierung von Beratungsstellen wie „Pro Familia“ und Frauen-Gesundheits-Zentren, die ersatzlose Streichung des § 218 aus dem Straf-Gesetz-Buch und die sofortige Zurücknahme des geplanten Beratungs-Gesetzes! – Frauen wehren sich gegen Zwangs-Mutterschaft!

Weitere Informationen mit Unterschriften-Listen und „solchen Handzetteln“ finden Sie oder findet Ihr an dem Informations-Stand! –

Die Zahl der erwerbslosen Frauen steigt weiter! – trotz zunehmender Qualifikation! – und für die Einrichtung gesellschaftlich notwendiger Arbeitsplätze fehlt angeblich das Geld! Die in Statistiken nachgewiesene materielle Armut vieler Frauen im erwerbsfähigen Alter und in der Rentenphase wird offensichtlich vorprogrammiert. –

Ein besonders deutliches Beispiel von Repression von Frauen in Düsseldorf ist die Situation der Alleinerziehenden. Häufig besteht Wohnungsnot! Frauen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen, fehlt die bedingungslose Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes. Die Bereitstellung in den Einrichtungen hängt unter anderem von dem Nachweis ab, dass sie als so genannte „Arbeitssuchende“ beim Arbeitsamt gemeldet sind, - andererseits unterliegt diese Frau beim Arbeitsamt selbst dem Nachweis-Zwang, dass sie eine Kinderbetreuungsstelle hat, bevor sie überhaupt als Arbeitssuchende dort registriert werden kann. – Es ist eine Zwickmühle, die von der Stadt gelöst werden muss!

Wir fordern an dieser Stelle mit Nachdruck Erhalt und Schaffung neuer Arbeitsplätze – auch in den bereits bestehenden Düsseldorfer Frauenzentren! – und ein konsequentes Einsetzen von Frauenförderplänen auf allen Ebenen und in allen Bereichen – mit entsprechenden Kontroll-Instanzen nach der Kurzformel:

„50 aller Plätze für Frauen!“! Insgesamt werden Rat und Verwaltung der Stadt Düsseldorf mit ihrer Vorreiter-Funktion besonders angesprochen. Die finanzielle Sicherstellung von Personal – und Sachkosten für Arbeitslosen-Selbsthilfegruppen muss als Pflichtaufgabe ein Bestandteil des Sozialetats sein! –

Der Versuch, Feindbilder abzubauen, ist ein erster Schritt zum Frieden:

Wir wollen eine abgerüstete Welt, in der die bisher für Waffen verschleuderten Gelder sinnvoll genutzt werden, zum Beispiel für den Umweltschutz und im sozialen Bereich. Damit wäre ein größeres Maß an Sicherheit erreicht als mit der Hochrüstungspolitik!

In diesem Sinne möchte ich mit Ihnen, beziehungsweise mit Euch Frauen hier – auch im Hinblick auf die Haushaltspolitik dieser Stadt! – zum Internationalen Frauentag 1988 ausrufen:

Heraus zum Frieden – gegen die unsozialen Sparmaßnahmen!

Dass ich als so genannte „Nichtorganisierte“ auf dieser DGB-Frauen-Veranstaltung spreche, soll ein Anfang sein, den eigentlich bestehenden Konsens zwischen den verschiedenen Frauengruppen deutlicher zu machen. Ich hoffe und wünsche darüber hinaus, dass im nächsten Jahr zu „partnerschaftlichen Bedingungen“ eine gemeinsame Veranstaltung von organisierten und autonomen Frauengruppen zum 8. März möglich wird!

Gesprochen habe ich für: Beratungsstelle Frauen in Not, Kölner Str.; Demokratische Fraueninitiative (DFI); Frauen-Archiv; Frauen-Bücher-Zimmer (F-B-Z) In der Becherstraße (am Münsterplatz); Frauencafé Benrath; Frauencafé Hexenkessel; Frauen-Initiative 6. Oktober; Frauen-kommunikation e.V.; Frauen-Ringvorlesung; Initiative Düsseldorfer Frauen gegen das geplante Beratungsgesetz – für die Streichung des § 218 StGB; Initiative Frauen ins Düsseldorfer Rathaus; Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF seit 1915) – Deutsche Sektion; KOM!MA; Lila Steinfresserinnen; Mütter für den Frieden; Terre des Femmes/Düsseldorfer Arbeitsgruppe

Düsseldorf, den 8. März 1988, Doris Burkhardt, V.i.S.D.P c/o. KOM!MA, Frauenkommunikation e.V., Luisenstr. 7, 4000 Düsseldorf 1

(aus dem Nachlass der Verfasserin, aufbewahrt im Frauen-Kultur-Archiv HHUD)