Interview der RP-Mitarbeiterin Helga Bittner mit Barbara Oertel-Burduli

vom 18.10.2000


"Ich möchte jungen Menschen Impulse geben"

25 Jahre Kinder- und Jugendtheater Düsseldorf heißt auch 25 Jahre unter der Chefin Barbara Oertel-Burduli. Intendant Günter Beelitz brachte die junge Dramaturgin zu Beginn seiner Amtszeit mit ans Schauspielhaus. Sie begründete das Kinder- und Jugendtheater als eigenständige Abteilung des Düsseldorfer Theaters. Wie es in der Vergangenheit war und in der Zukunft noch werden soll, wollte RP-Mitarbeiterin Helga Bittner von ihr wissen.

Was hat Sie damals bewegt?
"Schon in meiner Zeit als Dramaturgin an Erwachsenentheater wusste ich: Wenn man Menschen ins Theater locken will, muss man bei ganz jungen Menschen anfangen, am besten schon im Kindergartenalter. Ich habe dann immer nur ein Ziel gehabt: ein eigenes Haus für das Kinder- und Jugendtheater. Das hat mich auch in den harten Anfangszeiten immer bei der Stange gehalten."

Was hält Sie jetzt bei der Stange?
"Vor allem das Mitspieltheater. Da hab ich einen so direkten, spontanen Kontakt mit den Kindern, das ist wirklich ein Jungbrunnen. Mich reizt als Herausforderung; Wie lange kann ich das? Bleibt meine Phantasie und die der Kinder verbunden? Ich würde sofort aufhören, wenn ich spürte, dass die Phantasie der Kinder in eine ganz andere Richtung geht als meine. Dann wäre es Zeit, dass andere es machen. Aber solange die Dinge noch stimmen für die Kinder, die Eltern und für mich, halte ich mich für kompetent, Kindertheater zu machen."

Haben Sie manchmal nicht ein bisschen Angst davor, was mit dem Theater geschieht, wenn Sie die Leitung mal abgeben?
"Es gibt viele gute Kindertheaterleiter, und das Düsseldorfer Haus ist mit Sicherheit sehr attraktiv. Aber es wäre schon wichtig, die Kontinuität zu wahren, in Richtung Schulen zum Beispiel. Natürlich wird es jeder anders machen, aber man sollte schon versuchen, jemanden sehr froh mit dieser Materie vertraut zu machen."

Sie haben bereits unter drei Intendanten gearbeitet. Sind die Unterschiede sehr groß?
"Günther Beelitz und ich - wir haben uns unglaublich aneinander gerieben. Aber dadurch habe ich die notwendige Härte entwickelt, für die ich ihm heute sehr dankbar bin. Ich wäre sonst sicher nicht so hart im Nehmen geworden. Und das war notwendig in der Geschichte des Theaters."
Mit Volker Canaris habe ich gelernt, wie fair man miteinander umgehen kann. Er hat immer sehr genau zugehört und mir die nötige Freiheit gegeben. Er hat das Kindertheater und mich als erwachsenen, künstlerischen Partner akzeptiert.
Frau Badora vertraut mir voll und ganz. Wir sitzen unter einem Dach, aber akzeptieren uns als eigenständig. Es ist eine sehr faire, partnerschaftliche Zusammenarbeit. Ich muss meinen Spielplan nicht mehr verteidigen."

Was möchten Sie mit ihren eigenen Stücken bewirken?
"Natürlich versuche ich von Ängsten, Sehnsüchten und Hoffnungen aller Menschen, großer und kleiner, zu erzählen, und bringe da auch sicher meine Erinnerungen an das Jungsein hinein. Aber ich will keine Rezepte geben - dass hasse ich -, sondern Wegweiser und Impulsgeber sein, junge Menschen dazu ermutigen, eigene Fragen zu stellen und vielleicht nach Antworten zu suchen."

Haben Sie eine Lieblingsinszenierung?
"Die schönste Arbeit war sicherlich "Hänsel und Gretel" mit der Oper unter Kurt Horres. Die Vorstellungen waren ständig ausverkauft. Ich hätte gerne noch einmal so etwas gemacht. Aber leider kam bei entsprechenden Vorstößen beim letzten Opernchef Tobias Richter nichts heraus."

Und die unangenehmste Erinnerung?
"1984, zum Nato-Nachrüstungsbeschluss, sollte es ein Stück von einer jungen Nachwuchsautorin geben. Aber darüber, wie es aussehen sollte, haben wir uns alle verkracht, die Autorin, das Ensemble und ich. Wir sind trotzdem mit dem Stück herausgekommen und wurden von allen verrissen. Dann hatte ich mit Beelitz einen so fürchterlichen Streit, in dem er mich schließlich gezwungen hat, ein eigenes, neues Märchen zu schreiben. Seitdem mache ich das regelmäßig."

Was muss ein Schauspieler für das Kindertheater mitbringen?
"Ich brauche dieselben Schauspieler wie das Schauspielhaus, aber sie müssen eines zusätzlich haben: starke Nerven. Denn es gibt immer wieder Vorstellungen, die gestört werden. Aber man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass derartig heftige Emotionen oft Reaktionen auf das ungewohnte Live-Erlebnis sind."

Mussten Sie schon mal eine Vorstellung abbrechen?
"Nein, das haben wir bisher zu verhindern gewusst."

Haben Sie einen besonderen Wunsch für die Zukunft?
"Ich wünsche mir zehn Millionen Mark. Sofort. Ich habe doch noch so furchtbar viele Ideen. Ich wünsche mir, immer weniger ‚das geht nicht' zu hören. Und ich wünsche mir, dass die Probebühne als dritte Experimentierstätte genutzt werden darf. Da gibt es zur Zeit noch bautechnische Probleme."

Rheinische Post, 18.07.2000

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