PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT

Die Fakultät für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften

17.06.2014

Benedikt Wolf: Männlichkeit und Sexualität in Thomas Manns "Der Erwählte"

Öffentlicher Abendvortrag und Diskussion im Vortragsraum der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.

Moderation: Miriam Albracht

Hartmanns von Aue Verserzählung Gregorius, die von der Verstrickung ihres Protagonisten in einen doppelten Inzest berichtet, kann man um die Mitte des 20. Jahrhunderts kaum anders als psychoanalytisch lesen. Thomas Mann tut dies in seiner Gregorius-Adaption Der Erwählte denn auch genussvoll. Bei Mann steht jedoch der erzählte Progress des Protagonisten Grigorß vom Findelkind zum Papst in einem Spannungsverhältnis zu einem psychoanalytisch gefassten Regress, der sich durch den gesamten Roman zieht: Grigorß' Eltern entdecken zu Beginn des Textes ihr Geschlecht im Kastrationskomplex und agieren es in einer Urszene ohne Beobachter (sieht man von dem Hund Hanegiff und dem/der Leser_in ab) aus. Grigorß' genitale Sexualität regrediert in den Mutterschoß, und fällt daraufhin auf die Stufe des oralen Partialtriebs eines geschrumpften kleinen Wesens zurück. Mann zieht damit in den Komplex von Nicht-/Wissen und Inzest, der im Zentrum von Hartmanns Gregorius steht, die Ebene des Körpers (Kastrationskomplex) und der sexuellen Praxis (Urszene, Partialtrieb) ein. Die Erwählung Grigorß’ kann so gelesen werden als Ausdruck eines Erlösungbedürfnises, das nach der Entbindung des männlichen Subjekts aus dem Ödipuskomplex und nach der Desorganisation von Körper und Begehren in einen polymorph-perversen Möglichkeitsraum strebt.

Benedikt Wolf (Berlin), Studium der Neogräzistik, der Klassischen Philologie, des Deutschen als Fremdsprache sowie der Soziologie in München und Thessaloniki. Seit 2012 Promotionsprojekt im Fach Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, Arbeitstitel: Penetrierte Männlichkeit in deutschsprachiger Erzählliteratur von 1905-1969. Seit 2012 Promotionsstipendiat der Rosa Luxemburg Stiftung. 2012/2013 DAAD Sprachassistent an der Universität Zypern in Nikosia. Arbeits- und Interessensschwerpunkte: deutschsprachige Erzählliteratur der Frühen Moderne, Nachkriegsliteratur, Kritische Heteronormativitätsforschung/Queer Studies, Männlichkeiten, Antiziganismusforschung.

Der Eintritt kostet 5,- Euro, ermäßigt für Studierende und Schüler 3,- Euro, nur Abendkasse. Für Mitglieder unserer Gesellschaft ist der Eintritt frei. 

www.thomasmann-duesseldorf.de

https://www.facebook.com/thomasmann.duesseldorf

 

Beginn: 18:15 Uhr Ende: 19:30 Uhr
Veranstalter: Thomas Mann-Gesellschaft Düsseldorf e.V.
Ort: Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, HHU




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